Ex-UN-Diplomat über Ukraine-Konflikt: Westen hat UN-Charta längst den Rücken gekehrt
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Der Westen wiederholt mantraartig ständig, um seine Waffenlieferungen an Kiew zu rechtfertigen, dass Russland einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ gegen die Ukraine führe und diese damit das Recht habe, sich zu verteidigen. Der Ex-UN-Diplomat Michael von der Schulenburg beschuldigt den Westen, die Fortsetzung der Kampfhandlungen zu wollen.
Die UN-Charta ist laut von der Schulenburg eine gegenseitige Verpflichtung aller Mitgliedsländer, Konflikte friedlich zu lösen – und nicht umgekehrt. Die Charta sei „zuerst ein Friedensgebot und erst dann ein Kriegsverbot“. Es sei dieser Aspekt des Friedensgebotes, der mit einer militärischen Logik breche, die in der Vergangenheit zu so vielen Kriegen gerade in Europa geführt habe.
„Wenn heute wieder damit argumentiert wird, dass ein Frieden nur durch Waffengewalt – also durch Krieg – errungen werden kann, ist das ein Rückfall in die kriegerischen Zeiten vor der UN-Charta“, schrieb der Ex-UN-Diplomat auf der Seite des Magazins „Emma“.
Somit gebe die UN-Charta dem Westen nicht das Recht, die Kampfhandlungen fortzusetzen, „einen militärischen Sieg über Russland anzustreben und aus diesen Gründen alle Friedensbemühungen zu verweigern“.
Die Charta gehe davon aus, dass es zu jedem Konflikt immer zwei Seiten gebe, die durch friedliche Mittel auszugleichen seien.
„Übertragen auf den Ukrainekrieg wären die Sicherheitsinteressen Russlands und die der Ukraine gleichberechtigt und hätten durch Verhandlungen gelöst werden müssen“, so von der Schulenburg.
Westen und USA wollen Verlängerung des Ukraine-Konfliktes
Seit dem Ende des Kalten Krieges habe der Westen, „insbesondere die USA“, die Gültigkeit der UN-Charta immer wieder in Zweifel gezogen.
„Die UN-Charta und deren Prinzip der ,sovereign equality’ verträgt sich eben nicht mit dem alleinigen globalen Führungsanspruch der USA“, so der Ex-UN-Diplomat weiter.
Um dieser Führungsrolle gerecht zu werden, hätten die USA nach Angaben des US Congressional Research Service seit dem Ende des Kalten Krieges 251 militärische Interventionen in andere Länder durchgeführt, geheime CIA-Operationen und Finanzierungen von Proxy-Kriegen seiendabei nicht mitgezählt.
„Es kann davon ausgegangen werden, dass viele – wenn nicht gar die meisten dieser Interventionen Verletzungen der UN-Charter waren. In fast allen Fällen haben sie nur menschliches Leid, Zerstörungen, Chaos und dysfunktionale Regierungen hinterlassen; Demokratien sind daraus nie entstanden. Ist der Ukraine nun ein ähnliches Schicksal beschieden?“, fragt von der Schulenburg.
Auf Zusammenarbeit gerichtete Weltordnung bestimmen nun andere
Die UN-Charta sei einst ein Geschenk der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, der USA, der damaligen Sowjetunion, UK und Frankreichs an die Menschheit gewesen. Heute hätten sich „gerade diese Staaten – oder deren Nachfolgestaaten“ – mit dem Ukraine-Konflikt derart diskreditiert, dass sich von ihnen keine Erneuerung der UN-Charta erwarten lasse.
„Die Fackel für eine friedliche auf Zusammenarbeit gerichtete Weltordnung muss nun von anderen Ländern getragen werden, von Ländern wie Brasilien, Argentinien und Mexiko in Latein Amerika; von Indien, China und Indonesien in Asien; von Südafrika, Nigeria und Äthiopien in Afrika oder Ägypten und Saudi-Arabien im Mittleren Osten“, so von der Schulenburg.
Indem diese Länder eine stärkere Verantwortung für den Weltfrieden übernähmen, würde ein weiterer Schritt hin zu einer mehr multipolaren und mehr gleichberechtigten Welt genommen.