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Lawrow im Interview: Ich bin eindeutig für Frieden (Teil 2)
Lawrow im Interview: Ich bin eindeutig für Frieden (Teil 2)
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat dem Generaldirektor der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya, Dmitri Kisseljow, ein großes Interview gegeben, in... 06.02.2023, SNA
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- Die OVKS werden wir noch besprechen. Aber trotzdem: Kiew bietet Minsk einen Nichtangriffspakt an, aber das betrifft auch uns, denn wir haben immerhin einen Unionsstaat. Wie ist unsere Position dazu?- Der Unionsstaat ist in diesem Sinne wohl ein nicht so wichtiges Argument, denn wir – sowohl Weißrussland als auch Russland – haben Verträge mit vielen anderen Ländern, insbesondere im Sicherheitsbereich. Aber das, was Kiew getan hat – das ist natürlich kurios, zeigt die Kreativität der Anführer des Kiewer Regimes. Sie sind begabte Leute, denn es geht nicht einmal um ein Zweizugproblem. Wie Alexander Lukaschenko erklärt hat, hatte man den Weißrussen einen Nichtangriffspakt ausgerechnet in dem Moment angeboten, als die weißrussische Opposition unterstützt und aufgerüstet wird, so dass es für sie eine Art „Übung“ an der antirussischen Front werden könnte, darunter das so genannte „Kalinowski-Bataillon“, das offen unterstützt wird. Man erklärt offen, dass dieses Bataillon vorbereitet wird, um dann ähnliche Aufgaben in Belarus selbst zu erfüllen. Aber offensichtlich ist das eine spezifische Auffassung der ukrainischen Seite des Nichtangriffspaktes. Ich hatte darüber gesprochen, als Alexander Lukaschenko mich in Minsk empfangen hatte. Er versteht natürlich sehr gut, dass eine solche Vorgehensweise sinnlos, ja sogar offensichtlich provokant ist.- Sie haben die OVKS erwähnt. Viele fragen sich: In der Nato gibt es den fünften Artikel, dem zufolge ein Angriff auf ein Mitglied einen Angriff auf alle Mitglieder der Allianz bedeutet. Bei uns in der OVKS gibt es einen ähnlichen Artikel unter der Nummer vier. Lassen Sie mich sogar zitieren: Wenn einer der Mitgliedsstaaten einer Aggression, einem bewaffneten Überfall ausgesetzt wird, der seine Sicherheit, Stabilität, territoriale Integrität und Souveränität gefährdet, wird das von den Mitgliedsstaaten als Aggression gegen alle Mitgliedsstaaten dieses Vertrags betrachtet. Im Falle einer Aggression gegen einen Mitgliedsstaat werden alle anderen Mitgliedsstaaten auf Bitte dieses Staates ihm die nötige Hilfe leisten, auch die militärische. Ist das bei uns nicht der Fall mit Russland?- Aber dort steht geschrieben: Auf Bitte dieses Mitgliedsstaates. Wir haben uns an niemanden mit solch einer Bitte gewandt. Wir gehen davon aus, dass wir alles haben, um die Aufgaben der militärischen Sonderoperation zu erfüllen, den Krieg zu beenden, den der Westen durch das ukrainische Regime schon nach dem Staatsstreich begonnen hat. Ja, wir sehen, dass gegen uns die ganze Nato kämpft, und all dieses Gerede, alle Beschwörungen, dass man keinen Krieg gegen uns führe, sondern nur Waffen bereitstelle, sind einfach lächerlich. Die Waffenarten, die an die Ukraine teilweise bereits geliefert worden sind, und auch die, deren Lieferung erst angekündigt wurde, können laut Experten nicht von Ukrainern selbst eingesetzt werden, selbst wenn sie einen oder zwei, oder auch drei Monate lang zu diesem Zweck trainiert haben. Es gibt Waffensysteme, deren Einsatz nach Einschätzung von Experten nach kurzen Trainingskursen nicht beigebracht werden könne. Also wenn solche Waffensysteme geliefert werden, heißt das, dass auch entsprechende Kräfte bereitgestellt werden. Diese Kräfte werden offenbar für eine gewisse Zeit Urlaub bekommen und als Söldner mit entsprechenden Papieren eingestellt werden. Aber wir werden alle Fragen selbst in den Griff bekommen. Wir haben uns nicht an andere gewandt – ich werde es nicht ausführlich analysieren, warum wir das nicht getan haben, aber wir brauchten das einfach nicht. Als die OVKS im Januar des letzten Jahres vom Präsidenten Kasachstans um Hilfe gebeten wurde, um die Situation während eines von außen inspirierten Gewaltausbruchs und des Versuchs, die staatlichen Gebäude zu erobern, zu stabilisieren, reagierte die OVKS binnen eines Tages darauf. Wenn Armenien und Aserbaidschan nach wie vor nach Wegen zur Stabilisierung der Situation im Kaukasus suchen, ist die OVKS ebenfalls bereit, ihnen dabei zu helfen. Nach dem Gewaltausbruch im September des letzten Jahres (damals kamen auf beiden Seiten etwa 300 Menschen ums Leben) erhielten wir eine Bitte von Armenien, und der OVKS-Generalsekretär begab sich gleich in Begleitung einer speziellen Expertenmission an die Grenze und brachte einen Plan zur Stationierung einer OVKS-Mission in dem Teil Armeniens mit, der an Aserbaidschan grenzt. Dieser Plan war schon seit längerer Zeit bereit, aber die armenische Seite selbst wollte uns nicht drängen, und schon beim Gipfel in Jerewan formulierten wir einen endgültigen Wortlaut des entsprechenden Beschlusses. Allerdings sagten unsere armenischen Kollegen, dass sie diesen Beschluss nur dann bräuchten, wenn er das Vorgehen Aserbaidschans vehement verurteilen würde. Dazu waren aber nicht alle bereit, und nicht nur weil man jemanden gut darstellen und jemanden anderen nicht unterstützen wollte, sondern weil die Wurzeln dieses ganzen Karabach-Kriegs Jahrzehnte zurückreichen. Und als Armenien jahrzehntelang sieben Landkreise um Aserbaidschan besetzte, und dann als Aserbaidschan später schon die Hoffnung auf eine friedliche Lösung verlor (und Russland verschiedene Optionen anbot, die von der früheren armenischen Führung nicht gerade positiv aufgenommen wurden, da sie an den Gebieten festhalten wollte, die sie nie beansprucht hatte), nahm es doch dieses ihm gehörende Gebiet wieder unter seine Kontrolle. Jetzt, nachdem Armenien und Aserbaidschan gemeinsam mit der Europäischen Union ein Dokument über ihre Bereitschaft zu einem Friedensvertrag unterschrieben haben, unter den Bedingungen, die in der Erklärung von Alma-Ata vom Dezember 1991 verankert sind, fällt es uns inzwischen schwer, uns über unsere weiteren Schritte zu einigen, denn laut der Erklärung von Alma-Ata sollen die Grenzen zwischen den neuen unabhängigen Staaten (natürlich auch der Armenischen Sowjetrepublik und der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik, der das autonome Gebiet Bergkarabach angehörte) an den Verwaltungsgrenzen der Sowjetunion liegen. Es geht hier also um eine vielschichtige Situation, und die Tatsache, dass die OVKS in dieser schwierigen Situation einen Plan zur Friedensoperation vorbereitet hat, war aus meiner Sicht eine sehr wichtige Errungenschaft. Diese Initiative liegt immer noch auf dem Tisch, und wenn unsere armenischen Verbündeten und Freunde daran nach wie vor interessiert sind, kann diese Mission binnen nur eines oder zweier Tage stationiert werden.- Das heißt, Russland hat potenziell nach wie vor die Möglichkeit, sich an seine OVKS-Verbündeten zu wenden, falls es zu einer enormen Eskalation bzw. Aggression gegen Russland kommen sollte?- Dort steht geschrieben, dass jede Seite dieses Recht hat. Ich habe erklärt, warum Russland von diesem Recht keinen Gebrauch macht. Ich denke, dass es auch künftig nicht nötig wäre, denn wir halten das nicht für nötig, wenn man den Aufrüstungsstand unserer Streitkräfte und die Tatsache bedenkt, wie sie im Gebiet der Sonderoperation zum Einsatz kommen.Übrigens arbeitet die OVKS auf Kasachstans Initiative auch am Ausbau des friedensstiftenden Potenzials. Einer der stellvertretenden Generalsekretäre wurde für die Friedensstiftung zuständig gemacht. Es gibt ein Abkommen über die Friedenskräfte bzw. über die Bedingungen für ihren Einsatz. Jetzt arbeiten wir auf Initiative Kasachstans, die wir unterstützt haben, an der Vervollkommnung dieses Abkommens, denn darin steht, dass die OVKS-Friedenskräfte auf Vereinbarung bzw. auf Zustimmung des UN-Sicherheitsrats stationiert werden können. Das ist eine überflüssige Forderung, denn es genügt ja eine Bitte der legitimen Regierung eines der OVKS-Mitglieder, wie das im Januar des vorigen Jahres in Kasachstan der Fall war. Deshalb vervollkommnen wir momentan die Vertragsbasis der OVKS, was sie natürlich effizienter macht. Aber wo wir die Notwendigkeit der Unterstützung seitens der Verbündeten sehen, das ist natürlich die außenpolitische Koordinierung. Nicht immer und nicht über alle Fragen stimmen die OVKS-Länder gleich ab, wenn es um die Grundinteressen dieses oder jenes OVKS-Mitglieds geht. Darüber sprachen wir sowohl im OVKS-Rat der Staatsoberhäupter, dessen Sitzung in Jerewan stattgefunden hat, als auch im Außenministerrat. Die außenpolitische Koordinierung wird unter den aktuellen Bedingungen besonders wichtig.- Kürzlich sind gleich zwei Ihre Ex-Amtskollegen – die ehemaligen Außenminister Polens, Radoslaw Sikorski und Anna Fotyga, mit einer Initiative zur „Reföderalisierung“ Russlands aufgetreten. Und Lech Walesa sagte, man sollte sich mit Russland „endgültig auseinandersetzen“. Was passiert denn mit Polen? Es scheint eine besondere Rolle zu spielen, genauso wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Es scheint alle zu provozieren.- Da kann man viel reden. Polen hat eine schwierige und, ich würde sagen, schmerzhafte Geschichte, nicht weniger schmerzhafte und nicht weniger schwierige Ambitionen, die davon zeugen, dass ein gewisser Teil der dortigen Eliten nach wie vor expansionistische Pläne im Sinne der „Drei-Meere-Initiative“ voranbringt und permanent einen Teil der Westukraine beansprucht. Hinzu kommt Russenfeindlichkeit. Ich habe mit Radik Sikorski sehr eng zusammengearbeitet. Er gehört nicht zu den Russland-Liebhabern, ist aber ein pragmatischer und erfahrener Politiker – und wenn er etwas tut, dann tut er das nicht zufällig. Ja, nachdem er EU-Abgeordneter geworden ist, hat er etwas mehr Freiheit. Gleich nach den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines schrieb er sofort auf Twitter: „Danke, USA!“ Dann wurde dieser Beitrag gelöscht, aber dafür, was er meinte, gibt es jede Menge Beweise. Wir arbeiteten mit ihm gut zusammen, als wir als Außenminister an der Spitze einer gemeinsamen Kommission standen, an der sich auch Vizeminister der meisten anderen Behörden beteiligten. Das waren ja solche zwischenstaatliche Beratungen „im Kleinformat“.Es gab unter anderem eine Kommission der Historiker, die an gemeinsamen Lehrbüchern arbeiteten (das ist jetzt kaum zu glauben), in denen einzelne Kapitel gemeinsam verfasst wurden. In den Aspekten, zu denen unsere Ansichten unterschiedlich waren, wurden unsere Version der entsprechenden historischen Etappe und auch die polnische Version gedruckt. Aber das war ein Dialog, das war eine Plattform, auf der unsere Experten permanent in Kontakt blieben, und es wurden unvermeidlich zusätzliche Vertrauensmaßnahmen geschaffen. Jetzt gibt es das nicht mehr. Fotyga hat es vorgeschlagen, Lech Walesa erklärte, Russland sollte man (dafür hat man sich sogar einen neuen Begriff ausgedacht) „dekolonialisieren“. Sie beziehen sich da auf irgendwelche unangenehmen und kaum überzeugenden Vertreter irgendwelcher Nogajer-Völker, die die Gründung eines selbstständigen Staates im Gebiet Astrachan beanspruchen; auch im Gebiet Leningrad gibt es inzwischen irgendwelche „Urvölker“. Dadurch werden bestimme Kleinvölker quasi dafür belohnt, dass sie behaupten, sie würden in Russland diskriminiert. In Wahrheit ist aber alles gerade umgekehrt: Sie dürfen und können ihre Sprachen pflegen und leben nicht in Reservationen wie in den USA und Kanada, wo sie, wie es sich jetzt herausstellt, brutal getötet wurden: In Kanada wurde sogar neulich ein ganzer Prozess gestartet. Gleichzeitig sagt man, wir wären einfach zu groß. Genauso wie einst Madeleine Albright – sie beriefen sich auf sie und zitierten sie, Russland wäre viel zu groß. Dann wurde das dementiert. Vielleicht hat sie auch nie so etwas gesagt, aber dass es in den USA und Europa viele Menschen gibt, die daran glauben und diese Idee voranbringen, ist eine Tatsache. Es ist bedauernswert, denn wir hatten mit Polen immerhin einen umfassenden Mechanismus von Verbindungen. Aber es gibt noch einen Moment, weil man sich mit Russland, wie Walesa gesagt hat, endgültig auseinandersetzen sollte.- Zu Lebzeiten dieser Generation.- Aber was ist denn das, wenn keine Forderung nach der „endgültigen Lösung der russischen Frage“?! Als ich die Ideologen Hitler-Deutschlands zitierte, die sich mit der endgültigen Lösung der Judenfrage beschäftigten, und sagte, dass gegen uns auch jetzt praktisch das ganze Europa zusammengerufen wird, wobei die USA an der Spitze stehen und es unterschiedlich zum Ausdruck bringen, doch der Sinn ist derselbe: endgültig die russische Frage zu lösen, und zwar zu Lebzeiten der jetzigen Generation. Zwar nicht in Gaskammern, aber sie wollen so tun, dass es Russland als Großmacht nicht mehr gibt, sie wollen es beiseiteschieben und seine Wirtschaft zerstören. Und als schlampige Politiker begannen, zu behaupten, dass Lawrow mit solchen Vergleichen die Holocaust-Opfer beleidigt habe, so heißt das nur eines: Sie wollen nur die Aufmerksamkeit von sich ablenken und haben keine anderen Argumente. Ich habe keine Holocaust-Opfer beleidigt. Wir haben schon immer diese Opfer respektiert und spezielle Veranstaltungen organisiert. Und zu diesen Veranstaltungen wurden bzw. werden alle Menschen eingeladen, die so oder so mit den damaligen historischen Ereignissen verbunden waren – im Gegensatz zu Polen, die uns nicht nur in diesem, sondern auch im letzten Jahr – noch vor Beginn unserer militärischen Sonderoperation – nicht eingeladen haben, auf der Veranstaltung zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung zu sprechen. Und wir haben gerade gesagt, dass die Erinnerung an die Holocaust-Opfer niemanden von der heutigen Arbeit befreit, die Entstehung von neuen nazistischen Bewegungen dank und im Namen dieser Erinnerung zu verhindern, was wir aber in der Ukraine, aber auch in Estland und Lettland beobachten, wo wieder neonazistische Stimmungen entstehen und stärker werden.Herr Lawrow, der EU-Gipfel steht bevor. Wir sind natürlich kein EU-Mitglied, aber immerhin Nachbarn auf dem Kontinent, und diese Agenda, die dort besprochen wird, lässt uns nicht kalt. Welche Punkte würden Sie als Nachbar vorschlagen?Ehrlich gesagt, verfolge ich die EU-Gipfel nicht mehr …Aber sie werden sich trotzdem versammeln und Fragen stellen: Wer sind wir, was soll gemacht werden, wohin gehen wir?Sie befassen sich meines Erachtens mit Selbstzerfleischung. Alle Fragen darüber, wer den Beschluss treffen wird, wurden schon erklärt. Sie setzten ihre Unterschriften in einer Erklärung über die Zusammenarbeit mit der Nato, wo es heißt – alles, was die Nato braucht, wird von uns bereitgestellt. Wir werden die Gebiete der Länder, die nicht zur Nato gehören, zur Verfügung stellen, wenn man Waffen aller Typen näher zu den russischen Grenzen verlegen muss – damit ist alles gesagt.Olaf Scholz sagte vor kurzem, dass die ganze Sicherheit des Landes nur von den USA abhänge. Die EU wird sich mit der Ausarbeitung der Bitten an Washington befassen, damit Washington die europäische Wirtschaft und Industrie irgendwie schont und die Großzügigkeit gegenüber den Gesetzen, Subventionen, die sie den US-Unternehmen auf eigenem Territorium bieten, die entsprechende Geschäfte in Europa einfach sinnlos machen, zeigt.Wie der französische Wirtschaftsminister vor ziemlich langer Zeit sagte, ist der Strompreis für Unternehmen in Europa jetzt um das Vierfache höher als in den USA. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte vor einigen Tagen, dass sie sich an die USA wenden würden, damit sie irgendwelche Änderungen vornehmen, Ermäßigungen, Ausnahmen machen. Sie werden wohl bitten.Er ist bereits gereist, um zu bitten. Es wurde nichts gemacht.Deswegen interessiere ich mich nicht besonders dafür, was die EU bespricht. Wie ich gehört habe, planen sie noch, Selenski einzuladen – im Videokonferenz- oder im Präsenzformat, ich weiß es nicht. Uns wird das dann einfach mitgeteilt.Sie beschlossen das schon vor langem und begannen mit dieser Arbeit, aus Selenski den größten Demokraten, ein Symbol des Kampfes der Demokratie gegen die Autokratie zu machen. Das ist dieses einfache Schwarz-Weiß-Bild der Welt, das von den Amerikanern gefördert wird.Auf dem zweiten „Gipfel für Demokratie“, den sie Ende März einberufen, wird eine einfache Aufgabe formuliert – alle Demokraten sollen gegen alle Autokraten kämpfen. Als Autokraten wurden wir, China, Iran, Nordkorea, Syrien und Venezuela bezeichnet – also die Länder, die sich weigern, sich dem Westen bei seinen Forderungen unterzuordnen. Und die Demokraten werden von den Amerikanern selbst ernannt. Wenn man sich jene ansieht, die zum ersten „Gipfel für Demokratie“ eingeladen wurden, ist es eine ziemlich interessante Liste. Dort gibt es Länder (ich möchte niemanden beleidigen), die die Amerikaner selbst nie als demokratische Staaten bezeichnet haben.Jetzt will dieses revolutionäre Team, das den Gipfel der „Demokratien“ einberuft, nach unseren Angaben dort den Entwurf eines Beschlusses vorlegen, der die Philosophie der Konfrontation der Demokratien und Autokratien entwickelt, wobei sie bereits in eine materielle praktische Dimension verlegt wird. Die Absicht besteht zumindest auf dieser Etappe nach unseren Angaben darin, dass diese Demokratien ihre Forderungen gegenüber den Autokratien und eigene Rechte über den Kopf der autokratischen Regierungen hin formulieren, den Völkern zu helfen, die von diesen autokratischen Regierungen „unterdrückt“ werden.Vor einem bzw. zwei Jahren hätte ich das nicht glauben können. Jetzt wird das ernsthaft besprochen.-Einfach … praktisch eine Tätigkeit.-Ungefähr so. Sozusagen, sich selbst dieselben Rechte zu verleihen, die sie bekommen wollen, indem sie über die UN-Strukturen mit allen möglichen Mitteln, mit Verletzung der Regeln, die Idee der Schaffung eines Tribunals gegen Russland, die Idee der Kriegsentschädigungen seitens Russlands fördern. Das alles ist eine eklatante Verletzung der Völkerrechtsnormen. Sie haben sich aber schon daran gewöhnt. So verzichteten sie leicht auf eigene Prinzipien, die sie gepflegt und die sie seit vielen Jahrzehnten im Rahmen der Globalisierung allen aufgedrängt haben – von der Unantastbarkeit des Eigentums und der Unschuldsvermutung bis hin zum fairen Wettbewerb und Marktmechanismen – alles wurde durchkreuzt, als sie es brauchten, die Russische Föderation zu bestrafen.Eine andere Sache ist, dass es nicht funktionierte. Aber selbst die Tatsache, dass sie zu diesen rechtswidrigen Methoden griffen, alarmierte alle. Nicht zufällig laufen jetzt Gespräche über den Übergang zu Nationalwährungen. Wer weiß, welche Laune der US-Präsident am nächsten Morgen hat, und wen er für „unsympathisch“ halten wird.Die Präsidenten Brasiliens und Argentiniens haben bereits die Möglichkeit besprochen, eine eigene bilaterale Währung zu schaffen. Dann gingen sie noch weiter – sie schlugen vor, eine Währung für alle Staaten Lateinamerikas und der Karibik zu erfinden. Lula da Silva schlug vor, dasselbe im BRICS-Format zu besprechen. Das wird nicht mehr ein regionales, sondern ein globales Herangehen dazu sein, was mit dem Währungs- und Finanzbereich gemacht werden muss, wenn die USA mit ihrem Dollar alle möglichen Normen des Anstands verletzen.Das ist bereits im Gange. Saudi-Arabien verkauft Öl an China für Yuan. Wir bringen bereits den Anteil der Nationalwährungen beim Handel mit unseren wichtigsten Partnern bis auf 50 Prozent, und es geht weiter.Was China betrifft, entwickeln sich die Beziehungen zu China ganz dynamisch. Wir bauen eine neue Weltordnung mit China auf. Welche Berührungspunkte bzw. sogar Risiken kann es hier geben? Denn es ist immer ziemlich gefährlich, mit einem Riesen zu tanzen. Er kann auch auf die Füße treten. Gibt es irgendwelche Risiken bei den Beziehungen zu China?Die Berührungspunkte – das ist eine sehr bescheidene Bezeichnung unserer Beziehungen. Es steht bereits in unseren Erklärungen geschrieben, dass unsere Beziehungen, obwohl wir kein Militärbündnis schaffen, nach ihrer Qualität höher als Militärbündnisse in ihrer klassischen Deutung sind. Sie haben keine Beschränkungen, keine Grenzen, keine Tabu-Themen. Sie sind auf dem besten Niveau seit all den Jahren der Existenz der Sowjetunion, der Chinesischen Volksrepublik und der Russischen Föderation.Unser gemeinsames Interesse besteht vor allem darin, dass man uns ermöglicht, uns auf Grundlage unserer nationalen Pläne im Rahmen der existierenden Regeln des internationalen Handels (darunter WTO-Normen) und im Rahmen des vom Westen geschaffenen Systems, beginnend mit Bretton-Woods-Organisationen – dem IWF, der Weltbank, zu entwickeln. Als wir da beitraten, gab es dort bestimmte Regeln, wir nahmen sie an. Wir traten im Laufe von 17 Jahren der WTO bei. Wir nahmen die Regeln an, die eigentlich Regeln eines fairen Wettbewerbs waren.Jetzt ist es zerstört. Die WTO hat die Arbeit des Streitbeilegungsgremiums blockiert, nur weil China die USA auf ihrem Feld nach ihren Regeln überholt und zu Recht Entschädigung fordern kann, die vom Gremium sicher beschlossen wird, falls die USA diesem Gremium erlauben, zu arbeiten. Die Amerikaner blockieren einfach die Ernennung neuer Mitglieder für freie Stellen. Dort gibt es kein Quorum, ein reines bürokratisches, im schlimmsten Sinne des Wortes „sowjetisches Parteiherangehen“. Es ist schon seit vielen Jahren so. Gerade weil China bei all diesen Streitigkeiten gegen die USA gewinnen würde, nahmen sie die Reform der WTO auf, wobei öffentlich gesagt wurde, dass diese Reform sich auf die Interessen der USA und EU stützen sollte. Sehr einfach. Den Anderen wird ihr Platz zugewiesen und gesagt, wie sie sich verhalten sollen.Dasselbe ist im IWF. Wenn man die Kriterien, auf denen der IWF und die Weltbank basierten, betrachtet, dann könnten die BRICS-Länder (diese Situation entstand übrigens bereits vor einigen Jahren) so viele Aktien und Stimmen beanspruchen, die die jetzige Situation ändern würden, in der die USA im Alleingang alle Beschlüsse blockieren können.Wenn man in den IWF-Mechanismen die Wirtschaftskennzahlen der BRICS-Länder objektiv widerspiegelt, würden die USA ihr Recht verlieren, die Beschlüsse im Alleingang zu blockieren. Denn ihnen wird es an Stimmen und Anteilen fehlen.Wäre alles gerecht gewesen, hätten wohl auch wir den Leitern unseres Wirtschaftsblocks mehr zugehört, die sagten, dass es positive Aspekte an der Globalisierung gebe. Es gibt diese positiven Aspekte nicht mehr. Wir haben das früher verstanden, weil wir als Erste dem Schlag ausgesetzt waren – im Kontext dessen, was die USA gegen uns über die Ukraine vorbereiteten.Zudem waren wir nicht so tief in diesem System wie China, mindestens nach dem Handelsumfang, nach der Menge der US-Wertpapiere, die von China im Wert von 1,5 Billionen Dollar erworben wurden. Deswegen ist die Tiefe der „Versenkung“ Chinas ins jetzige System natürlich unvergleichbar mit uns. China wird unvermeidlich diese Abhängigkeit reduzieren. Das steht für mich außer Zweifel. Es hat das bereits angefangen. Es sind alle Zeichen dafür vorhanden. Peking wird mehr Zeit brauchen, um parallele Instrumente und Mechanismen zu schaffen, die es gegen die Willkür der USA als Chefverwalter des globalen Währungs- und Finanz- sowie Handelssystems auf dieser Etappe schützen werden. Aber auf der anderen Seite müssen diese Mechanismen und Instrumente es nicht auf einmal tun. Denn sonst kann es zu großen wirtschaftlichen Erschütterungen kommen angesichts der gegenseitigen Verbindung in Höhe von Billionen US-Dollar zwischen den Wirtschaften der USA und Chinas. Aber es läuft bereits nicht nur die Besprechung, sondern auch die Suche nach den Wegen zur Bildung neuer Mechanismen, und dieser Prozess läuft in Richtung der Fragmentierung globaler Mechanismen. Denn bislang werden die globalen Mechanismen mit den USA und ihren Satelliten assoziiert. Sie sind nicht mehr global, sondern bedienen eine Staatengruppe.Wenn die Länder Lateinamerikas und der Karibik dazu aufgerufen werden, an ihre Finanzinstrumente zu denken, geht es um Fragmentierung bzw. „Regionalisierung“ der Globalisierung.In unserer Region besteht die Initiative von Präsident Wladimir Putin darin, die Integrationsprozesse im ganzen großen Eurasien zu betrachten. Dazu gehören die Eurasische Wirtschaftsunion, die ASEAN mit ihren ziemlich weitreichenden Plänen, die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), wo es neben der Sicherheitsagenda auch sehr gute verkehrslogistische und wirtschaftliche Aussichten gibt. Vor diesem Hintergrund würde ich auch natürlich das vorhandene chinesische Projekt „One Belt, One Road“, das chinesische Abkommen über die Zusammenarbeit mit der Eurasischen Wirtschaftsunion nennen.Wladimir Putin schlug vor rund fünf Jahren vor, sich Gedanken darüber zu machen, diesen Organisationen die Herangehensweisen der anderen Organisationen nicht aufzudrängen, sondern die Pläne zu harmonisieren.Gibt es keinen Widerspruch zwischen diesen Projekten?Damit es keine Verdoppelung gibt. Es gibt da Widersprüche. Aber damit es nicht zur Verdoppelung, zur Zerstreuung von Ressourcen kommt. Dieser Prozess hat begonnen. Die Eurasische Wirtschaftsunion hat bereits ein Memorandum über die Zusammenarbeit mit der ASEAN. Die SOZ hat auch ein Memorandum mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, die SOZ hat ein Memorandum mit der ASEAN.Präsident Wladimir Putin hat vorgeschlagen, den Prozess der Harmonisierung dieser Integrationsbestrebungen als Bildung der Großen Eurasischen Partnerschaft zu bezeichnen. Das war im Jahr 2015 beim Russland-ASEAN-Gipfel in Sotschi. Bereits damals gab es einen objektiven Bedarf, sich eine Alternative für die Globalisierung, die uns seit vielen Jahrzehnten aufgedrängt wurde und die mehr oder weniger allen passte, anzusehen. Das ist auch die Große Eurasische Partnerschaft als Zeichen der Tendenz zur Regionalisierung globaler Prozesse.Aber doch zu den Risiken. Es gibt eine weit verbreitete Meinung, dass China so „groß“ ist, und wir so „klein“ sind. Etwas könnte sich dann ändern, und wir könnten auf etwas Unüberwindbares stoßen. Inwieweit sind solche Ängste berechtigt?Wissen Sie, alles ist relativ. Uns wird doch auch zur Last gelegt, dass wir „groß“ sind und alle um uns herum „beleidigen“. Die ehemaligen Sowjetrepubliken werden angeblich nicht entsprechend respektiert. Es wird viele solche Interessenten geben. Es gibt auch viele, die uns mit China einschüchtern wollen. Ich sehe darin ein Spiel, das mit dem Streben verbunden ist, uns an der Zusammenarbeit, an der Koordinierung in der Wirtschaft und in internationalen Angelegenheiten zu hindern. Wir haben keine Zweifel daran, dass die Pläne, die zwischen Russland und China fixiert wurden, den Interessen Russlands und Chinas entsprechen. Diese Pläne bestimmen Russlands Rolle nicht als die eines Untergeordneten. Sie sind gegenseitig gewinnbringend. Sie betreffen nicht nur die Lieferungen der Energieträger nach China. Dazu gehören auch der Weltraum, die Atomenergie, viele andere High-Tech-Branchen.Ich möchte auch daran erinnern, dass der Westen Russland und China als Autarkien und Hauptbedrohungen bezeichnete. Unser Land ist eine momentane Bedrohung, die dringend irgendwie gehemmt werden muss. Gegen China muss langfristig gekämpft werden.Vielleicht wollen sie, dass China uns militärisch nicht hilft. Das wird jetzt rund um die Welt, mal Nordkorea, mal Iran mal noch jemandem zur Last gelegt. Bei uns funktioniert die Rüstungsindustrie. Alles wird gut sein. Und in der internationalen Arena werden freche Beschlüsse durchgesetzt, die nur den USA und ihren Satelliten passen, sie sind weder für uns noch für die Chinesen annehmbar. Wir werden Einsprüche dagegen erheben.Herr Lawrow, zum Schluss ein paar ganz kurze Fragen. Haben Sie bereits russischen Whiskey als Importersatz probiert, nehmen Sie gelegentlich einen kleinen Schluck?Ich habe ihn als Geschenk bekommen. Die Whiskey-Sorte heißt „Praskowejskoje“, wenn ich mich nicht irre. An vorrangiger Stelle steht bei mir aber eine Flasche mit der Aufschrift „Kyrgyz Whisky".Und die letzte Frage: Sind Sie für Frieden?Ich bin für Frieden. Eindeutig. Ich erinnere mich nicht mehr, wer, aber jemand hat mal gesagt: „Wenn du Frieden willst, solltest du dich auf einen Krieg vorbereiten.“ Ich teile diese Philosophie nicht.Ich teile den Gedanken, den ich so formulieren würde: Wenn du Frieden willst, solltest du immer bereit sein, dich zu verteidigen. Ich denke, dass wir aus der jetzigen geopolitischen Situation gestärkt hervorgehen und im Stande sein werden, uns in jeder Situation noch effektiver zu schützen.Herr Lawrow, danke für dieses sehr inhaltsreiche und wichtige Interview.
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- Die OVKS werden wir noch besprechen. Aber trotzdem: Kiew bietet Minsk einen Nichtangriffspakt an, aber das betrifft auch uns, denn wir haben immerhin einen Unionsstaat. Wie ist unsere Position dazu?
- Der Unionsstaat ist in diesem Sinne wohl ein nicht so wichtiges Argument, denn wir – sowohl Weißrussland als auch Russland – haben Verträge mit vielen anderen Ländern, insbesondere im Sicherheitsbereich. Aber das, was Kiew getan hat – das ist natürlich kurios, zeigt die Kreativität der Anführer des Kiewer Regimes. Sie sind begabte Leute, denn es geht nicht einmal um ein Zweizugproblem. Wie Alexander Lukaschenko erklärt hat, hatte man den Weißrussen einen Nichtangriffspakt ausgerechnet in dem Moment angeboten, als die weißrussische Opposition unterstützt und aufgerüstet wird, so dass es für sie eine Art „Übung“ an der antirussischen Front werden könnte, darunter das so genannte „Kalinowski-Bataillon“, das offen unterstützt wird. Man erklärt offen, dass dieses Bataillon vorbereitet wird, um dann ähnliche Aufgaben in Belarus selbst zu erfüllen. Aber offensichtlich ist das eine spezifische Auffassung der ukrainischen Seite des Nichtangriffspaktes. Ich hatte darüber gesprochen, als Alexander Lukaschenko mich in Minsk empfangen hatte. Er versteht natürlich sehr gut, dass eine solche Vorgehensweise sinnlos, ja sogar offensichtlich provokant ist.
- Sie haben die OVKS erwähnt. Viele fragen sich: In der Nato gibt es den fünften Artikel, dem zufolge ein Angriff auf ein Mitglied einen Angriff auf alle Mitglieder der Allianz bedeutet. Bei uns in der OVKS gibt es einen ähnlichen Artikel unter der Nummer vier. Lassen Sie mich sogar zitieren: Wenn einer der Mitgliedsstaaten einer Aggression, einem bewaffneten Überfall ausgesetzt wird, der seine Sicherheit, Stabilität, territoriale Integrität und Souveränität gefährdet, wird das von den Mitgliedsstaaten als Aggression gegen alle Mitgliedsstaaten dieses Vertrags betrachtet. Im Falle einer Aggression gegen einen Mitgliedsstaat werden alle anderen Mitgliedsstaaten auf Bitte dieses Staates ihm die nötige Hilfe leisten, auch die militärische. Ist das bei uns nicht der Fall mit Russland?
- Aber dort steht geschrieben: Auf Bitte dieses Mitgliedsstaates. Wir haben uns an niemanden mit solch einer Bitte gewandt. Wir gehen davon aus, dass wir alles haben, um die Aufgaben der militärischen Sonderoperation zu erfüllen, den Krieg zu beenden, den der Westen durch das ukrainische Regime schon nach dem Staatsstreich begonnen hat. Ja, wir sehen, dass gegen uns die ganze Nato kämpft, und all dieses Gerede, alle Beschwörungen, dass man keinen Krieg gegen uns führe, sondern nur Waffen bereitstelle, sind einfach lächerlich. Die Waffenarten, die an die Ukraine teilweise bereits geliefert worden sind, und auch die, deren Lieferung erst angekündigt wurde, können laut Experten nicht von Ukrainern selbst eingesetzt werden, selbst wenn sie einen oder zwei, oder auch drei Monate lang zu diesem Zweck trainiert haben. Es gibt Waffensysteme, deren Einsatz nach Einschätzung von Experten nach kurzen Trainingskursen nicht beigebracht werden könne. Also wenn solche Waffensysteme geliefert werden, heißt das, dass auch entsprechende Kräfte bereitgestellt werden. Diese Kräfte werden offenbar für eine gewisse Zeit Urlaub bekommen und als Söldner mit entsprechenden Papieren eingestellt werden. Aber wir werden alle Fragen selbst in den Griff bekommen. Wir haben uns nicht an andere gewandt – ich werde es nicht ausführlich analysieren, warum wir das nicht getan haben, aber wir brauchten das einfach nicht. Als die OVKS im Januar des letzten Jahres vom Präsidenten Kasachstans um Hilfe gebeten wurde, um die Situation während eines von außen inspirierten Gewaltausbruchs und des Versuchs, die staatlichen Gebäude zu erobern, zu stabilisieren, reagierte die OVKS binnen eines Tages darauf. Wenn Armenien und Aserbaidschan nach wie vor nach Wegen zur Stabilisierung der Situation im Kaukasus suchen, ist die OVKS ebenfalls bereit, ihnen dabei zu helfen. Nach dem Gewaltausbruch im September des letzten Jahres (damals kamen auf beiden Seiten etwa 300 Menschen ums Leben) erhielten wir eine Bitte von Armenien, und der OVKS-Generalsekretär begab sich gleich in Begleitung einer speziellen Expertenmission an die Grenze und brachte einen Plan zur Stationierung einer OVKS-Mission in dem Teil Armeniens mit, der an Aserbaidschan grenzt. Dieser Plan war schon seit längerer Zeit bereit, aber die armenische Seite selbst wollte uns nicht drängen, und schon beim Gipfel in Jerewan formulierten wir einen endgültigen Wortlaut des entsprechenden Beschlusses. Allerdings sagten unsere armenischen Kollegen, dass sie diesen Beschluss nur dann bräuchten, wenn er das Vorgehen Aserbaidschans vehement verurteilen würde. Dazu waren aber nicht alle bereit, und nicht nur weil man jemanden gut darstellen und jemanden anderen nicht unterstützen wollte, sondern weil die Wurzeln dieses ganzen Karabach-Kriegs Jahrzehnte zurückreichen. Und als Armenien jahrzehntelang sieben Landkreise um Aserbaidschan besetzte, und dann als Aserbaidschan später schon die Hoffnung auf eine friedliche Lösung verlor (und Russland verschiedene Optionen anbot, die von der früheren armenischen Führung nicht gerade positiv aufgenommen wurden, da sie an den Gebieten festhalten wollte, die sie nie beansprucht hatte), nahm es doch dieses ihm gehörende Gebiet wieder unter seine Kontrolle. Jetzt, nachdem Armenien und Aserbaidschan gemeinsam mit der Europäischen Union ein Dokument über ihre Bereitschaft zu einem Friedensvertrag unterschrieben haben, unter den Bedingungen, die in der Erklärung von Alma-Ata vom Dezember 1991 verankert sind, fällt es uns inzwischen schwer, uns über unsere weiteren Schritte zu einigen, denn laut der Erklärung von Alma-Ata sollen die Grenzen zwischen den neuen unabhängigen Staaten (natürlich auch der Armenischen Sowjetrepublik und der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik, der das autonome Gebiet Bergkarabach angehörte) an den Verwaltungsgrenzen der Sowjetunion liegen. Es geht hier also um eine vielschichtige Situation, und die Tatsache, dass die OVKS in dieser schwierigen Situation einen Plan zur Friedensoperation vorbereitet hat, war aus meiner Sicht eine sehr wichtige Errungenschaft. Diese Initiative liegt immer noch auf dem Tisch, und wenn unsere armenischen Verbündeten und Freunde daran nach wie vor interessiert sind, kann diese Mission binnen nur eines oder zweier Tage stationiert werden.
- Das heißt, Russland hat potenziell nach wie vor die Möglichkeit, sich an seine OVKS-Verbündeten zu wenden, falls es zu einer enormen Eskalation bzw. Aggression gegen Russland kommen sollte?
- Dort steht geschrieben, dass jede Seite dieses Recht hat. Ich habe erklärt, warum Russland von diesem Recht keinen Gebrauch macht. Ich denke, dass es auch künftig nicht nötig wäre, denn wir halten das nicht für nötig, wenn man den Aufrüstungsstand unserer Streitkräfte und die Tatsache bedenkt, wie sie im Gebiet der Sonderoperation zum Einsatz kommen.
Übrigens arbeitet die OVKS auf Kasachstans Initiative auch am Ausbau des friedensstiftenden Potenzials. Einer der stellvertretenden Generalsekretäre wurde für die Friedensstiftung zuständig gemacht. Es gibt ein Abkommen über die Friedenskräfte bzw. über die Bedingungen für ihren Einsatz. Jetzt arbeiten wir auf Initiative Kasachstans, die wir unterstützt haben, an der Vervollkommnung dieses Abkommens, denn darin steht, dass die OVKS-Friedenskräfte auf Vereinbarung bzw. auf Zustimmung des UN-Sicherheitsrats stationiert werden können. Das ist eine überflüssige Forderung, denn es genügt ja eine Bitte der legitimen Regierung eines der OVKS-Mitglieder, wie das im Januar des vorigen Jahres in Kasachstan der Fall war. Deshalb vervollkommnen wir momentan die Vertragsbasis der OVKS, was sie natürlich effizienter macht. Aber wo wir die Notwendigkeit der Unterstützung seitens der Verbündeten sehen, das ist natürlich die außenpolitische Koordinierung. Nicht immer und nicht über alle Fragen stimmen die OVKS-Länder gleich ab, wenn es um die Grundinteressen dieses oder jenes OVKS-Mitglieds geht. Darüber sprachen wir sowohl im OVKS-Rat der Staatsoberhäupter, dessen Sitzung in Jerewan stattgefunden hat, als auch im Außenministerrat. Die außenpolitische Koordinierung wird unter den aktuellen Bedingungen besonders wichtig.
- Kürzlich sind gleich zwei Ihre Ex-Amtskollegen – die ehemaligen Außenminister Polens, Radoslaw Sikorski und Anna Fotyga, mit einer Initiative zur „Reföderalisierung“ Russlands aufgetreten. Und Lech Walesa sagte, man sollte sich mit Russland „endgültig auseinandersetzen“. Was passiert denn mit Polen? Es scheint eine besondere Rolle zu spielen, genauso wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Es scheint alle zu provozieren.
- Da kann man viel reden. Polen hat eine schwierige und, ich würde sagen, schmerzhafte Geschichte, nicht weniger schmerzhafte und nicht weniger schwierige Ambitionen, die davon zeugen, dass ein gewisser Teil der dortigen Eliten nach wie vor expansionistische Pläne im Sinne der „Drei-Meere-Initiative“ voranbringt und permanent einen Teil der Westukraine beansprucht. Hinzu kommt Russenfeindlichkeit. Ich habe mit Radik Sikorski sehr eng zusammengearbeitet. Er gehört nicht zu den Russland-Liebhabern, ist aber ein pragmatischer und erfahrener Politiker – und wenn er etwas tut, dann tut er das nicht zufällig. Ja, nachdem er EU-Abgeordneter geworden ist, hat er etwas mehr Freiheit. Gleich nach den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines schrieb er sofort auf Twitter: „Danke, USA!“ Dann wurde dieser Beitrag gelöscht, aber dafür, was er meinte, gibt es jede Menge Beweise. Wir arbeiteten mit ihm gut zusammen, als wir als Außenminister an der Spitze einer gemeinsamen Kommission standen, an der sich auch Vizeminister der meisten anderen Behörden beteiligten. Das waren ja solche zwischenstaatliche Beratungen „im Kleinformat“.
Es gab unter anderem eine Kommission der Historiker, die an gemeinsamen Lehrbüchern arbeiteten (das ist jetzt kaum zu glauben), in denen einzelne Kapitel gemeinsam verfasst wurden. In den Aspekten, zu denen unsere Ansichten unterschiedlich waren, wurden unsere Version der entsprechenden historischen Etappe und auch die polnische Version gedruckt. Aber das war ein Dialog, das war eine Plattform, auf der unsere Experten permanent in Kontakt blieben, und es wurden unvermeidlich zusätzliche Vertrauensmaßnahmen geschaffen. Jetzt gibt es das nicht mehr. Fotyga hat es vorgeschlagen, Lech Walesa erklärte, Russland sollte man (dafür hat man sich sogar einen neuen Begriff ausgedacht) „dekolonialisieren“. Sie beziehen sich da auf irgendwelche unangenehmen und kaum überzeugenden Vertreter irgendwelcher Nogajer-Völker, die die Gründung eines selbstständigen Staates im Gebiet Astrachan beanspruchen; auch im Gebiet Leningrad gibt es inzwischen irgendwelche „Urvölker“. Dadurch werden bestimme Kleinvölker quasi dafür belohnt, dass sie behaupten, sie würden in Russland diskriminiert. In Wahrheit ist aber alles gerade umgekehrt: Sie dürfen und können ihre Sprachen pflegen und leben nicht in Reservationen wie in den USA und Kanada, wo sie, wie es sich jetzt herausstellt, brutal getötet wurden: In Kanada wurde sogar neulich ein ganzer Prozess gestartet. Gleichzeitig sagt man, wir wären einfach zu groß. Genauso wie einst Madeleine Albright – sie beriefen sich auf sie und zitierten sie, Russland wäre viel zu groß. Dann wurde das dementiert. Vielleicht hat sie auch nie so etwas gesagt, aber dass es in den USA und Europa viele Menschen gibt, die daran glauben und diese Idee voranbringen, ist eine Tatsache. Es ist bedauernswert, denn wir hatten mit Polen immerhin einen umfassenden Mechanismus von Verbindungen. Aber es gibt noch einen Moment, weil man sich mit Russland, wie Walesa gesagt hat, endgültig auseinandersetzen sollte.
- Zu Lebzeiten dieser Generation.
- Aber was ist denn das, wenn keine Forderung nach der „endgültigen Lösung der russischen Frage“?! Als ich die Ideologen Hitler-Deutschlands zitierte, die sich mit der endgültigen Lösung der Judenfrage beschäftigten, und sagte, dass gegen uns auch jetzt praktisch das ganze Europa zusammengerufen wird, wobei die USA an der Spitze stehen und es unterschiedlich zum Ausdruck bringen, doch der Sinn ist derselbe: endgültig die russische Frage zu lösen, und zwar zu Lebzeiten der jetzigen Generation. Zwar nicht in Gaskammern, aber sie wollen so tun, dass es Russland als Großmacht nicht mehr gibt, sie wollen es beiseiteschieben und seine Wirtschaft zerstören. Und als schlampige Politiker begannen, zu behaupten, dass Lawrow mit solchen Vergleichen die Holocaust-Opfer beleidigt habe, so heißt das nur eines: Sie wollen nur die Aufmerksamkeit von sich ablenken und haben keine anderen Argumente. Ich habe keine Holocaust-Opfer beleidigt. Wir haben schon immer diese Opfer respektiert und spezielle Veranstaltungen organisiert. Und zu diesen Veranstaltungen wurden bzw. werden alle Menschen eingeladen, die so oder so mit den damaligen historischen Ereignissen verbunden waren – im Gegensatz zu Polen, die uns nicht nur in diesem, sondern auch im letzten Jahr – noch vor Beginn unserer militärischen Sonderoperation – nicht eingeladen haben, auf der Veranstaltung zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung zu sprechen. Und wir haben gerade gesagt, dass die Erinnerung an die Holocaust-Opfer niemanden von der heutigen Arbeit befreit, die Entstehung von neuen nazistischen Bewegungen dank und im Namen dieser Erinnerung zu verhindern, was wir aber in der Ukraine, aber auch in Estland und Lettland beobachten, wo wieder neonazistische Stimmungen entstehen und stärker werden.
Herr Lawrow, der EU-Gipfel steht bevor. Wir sind natürlich kein EU-Mitglied, aber immerhin Nachbarn auf dem Kontinent, und diese Agenda, die dort besprochen wird, lässt uns nicht kalt. Welche Punkte würden Sie als Nachbar vorschlagen?
Ehrlich gesagt, verfolge ich die EU-Gipfel nicht mehr …
Aber sie werden sich trotzdem versammeln und Fragen stellen: Wer sind wir, was soll gemacht werden, wohin gehen wir?
Sie befassen sich meines Erachtens mit Selbstzerfleischung. Alle Fragen darüber, wer den Beschluss treffen wird, wurden schon erklärt. Sie setzten ihre Unterschriften in einer Erklärung über die Zusammenarbeit mit der Nato, wo es heißt – alles, was die Nato braucht, wird von uns bereitgestellt. Wir werden die Gebiete der Länder, die nicht zur Nato gehören, zur Verfügung stellen, wenn man Waffen aller Typen näher zu den russischen Grenzen verlegen muss – damit ist alles gesagt.
Olaf Scholz sagte vor kurzem, dass die ganze Sicherheit des Landes nur von den USA abhänge. Die EU wird sich mit der Ausarbeitung der Bitten an Washington befassen, damit Washington die europäische Wirtschaft und Industrie irgendwie schont und die Großzügigkeit gegenüber den Gesetzen, Subventionen, die sie den US-Unternehmen auf eigenem Territorium bieten, die entsprechende Geschäfte in Europa einfach sinnlos machen, zeigt.
Wie der französische Wirtschaftsminister vor ziemlich langer Zeit sagte, ist der Strompreis für Unternehmen in Europa jetzt um das Vierfache höher als in den USA. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte vor einigen Tagen, dass sie sich an die USA wenden würden, damit sie irgendwelche Änderungen vornehmen, Ermäßigungen, Ausnahmen machen. Sie werden wohl bitten.
Er ist bereits gereist, um zu bitten. Es wurde nichts gemacht.
Deswegen interessiere ich mich nicht besonders dafür, was die EU bespricht. Wie ich gehört habe, planen sie noch, Selenski einzuladen – im Videokonferenz- oder im Präsenzformat, ich weiß es nicht. Uns wird das dann einfach mitgeteilt.
Sie beschlossen das schon vor langem und begannen mit dieser Arbeit, aus Selenski den größten Demokraten, ein Symbol des Kampfes der Demokratie gegen die Autokratie zu machen. Das ist dieses einfache Schwarz-Weiß-Bild der Welt, das von den Amerikanern gefördert wird.
Auf dem zweiten „Gipfel für Demokratie“, den sie Ende März einberufen, wird eine einfache Aufgabe formuliert – alle Demokraten sollen gegen alle Autokraten kämpfen. Als Autokraten wurden wir, China, Iran, Nordkorea, Syrien und Venezuela bezeichnet – also die Länder, die sich weigern, sich dem Westen bei seinen Forderungen unterzuordnen. Und die Demokraten werden von den Amerikanern selbst ernannt. Wenn man sich jene ansieht, die zum ersten „Gipfel für Demokratie“ eingeladen wurden, ist es eine ziemlich interessante Liste. Dort gibt es Länder (ich möchte niemanden beleidigen), die die Amerikaner selbst nie als demokratische Staaten bezeichnet haben.
Jetzt will dieses revolutionäre Team, das den Gipfel der „Demokratien“ einberuft, nach unseren Angaben dort den Entwurf eines Beschlusses vorlegen, der die Philosophie der Konfrontation der Demokratien und Autokratien entwickelt, wobei sie bereits in eine materielle praktische Dimension verlegt wird. Die Absicht besteht zumindest auf dieser Etappe nach unseren Angaben darin, dass diese Demokratien ihre Forderungen gegenüber den Autokratien und eigene Rechte über den Kopf der autokratischen Regierungen hin formulieren, den Völkern zu helfen, die von diesen autokratischen Regierungen „unterdrückt“ werden.
Vor einem bzw. zwei Jahren hätte ich das nicht glauben können. Jetzt wird das ernsthaft besprochen.
-Einfach … praktisch eine Tätigkeit.
-Ungefähr so. Sozusagen, sich selbst dieselben Rechte zu verleihen, die sie bekommen wollen, indem sie über die UN-Strukturen mit allen möglichen Mitteln, mit Verletzung der Regeln, die Idee der Schaffung eines Tribunals gegen Russland, die Idee der Kriegsentschädigungen seitens Russlands fördern. Das alles ist eine eklatante Verletzung der Völkerrechtsnormen. Sie haben sich aber schon daran gewöhnt. So verzichteten sie leicht auf eigene Prinzipien, die sie gepflegt und die sie seit vielen Jahrzehnten im Rahmen der Globalisierung allen aufgedrängt haben – von der Unantastbarkeit des Eigentums und der Unschuldsvermutung bis hin zum fairen Wettbewerb und Marktmechanismen – alles wurde durchkreuzt, als sie es brauchten, die Russische Föderation zu bestrafen.
Eine andere Sache ist, dass es nicht funktionierte. Aber selbst die Tatsache, dass sie zu diesen rechtswidrigen Methoden griffen, alarmierte alle. Nicht zufällig laufen jetzt Gespräche über den Übergang zu Nationalwährungen. Wer weiß, welche Laune der US-Präsident am nächsten Morgen hat, und wen er für „unsympathisch“ halten wird.
Die Präsidenten Brasiliens und Argentiniens haben bereits die Möglichkeit besprochen, eine eigene bilaterale Währung zu schaffen. Dann gingen sie noch weiter – sie schlugen vor, eine Währung für alle Staaten Lateinamerikas und der Karibik zu erfinden. Lula da Silva schlug vor, dasselbe im BRICS-Format zu besprechen. Das wird nicht mehr ein regionales, sondern ein globales Herangehen dazu sein, was mit dem Währungs- und Finanzbereich gemacht werden muss, wenn die USA mit ihrem Dollar alle möglichen Normen des Anstands verletzen.
Das ist bereits im Gange. Saudi-Arabien verkauft Öl an China für Yuan. Wir bringen bereits den Anteil der Nationalwährungen beim Handel mit unseren wichtigsten Partnern bis auf 50 Prozent, und es geht weiter.
Was China betrifft, entwickeln sich die Beziehungen zu China ganz dynamisch. Wir bauen eine neue Weltordnung mit China auf. Welche Berührungspunkte bzw. sogar Risiken kann es hier geben? Denn es ist immer ziemlich gefährlich, mit einem Riesen zu tanzen. Er kann auch auf die Füße treten. Gibt es irgendwelche Risiken bei den Beziehungen zu China?
Die Berührungspunkte – das ist eine sehr bescheidene Bezeichnung unserer Beziehungen. Es steht bereits in unseren Erklärungen geschrieben, dass unsere Beziehungen, obwohl wir kein Militärbündnis schaffen, nach ihrer Qualität höher als Militärbündnisse in ihrer klassischen Deutung sind. Sie haben keine Beschränkungen, keine Grenzen, keine Tabu-Themen. Sie sind auf dem besten Niveau seit all den Jahren der Existenz der Sowjetunion, der Chinesischen Volksrepublik und der Russischen Föderation.
Unser gemeinsames Interesse besteht vor allem darin, dass man uns ermöglicht, uns auf Grundlage unserer nationalen Pläne im Rahmen der existierenden Regeln des internationalen Handels (darunter WTO-Normen) und im Rahmen des vom Westen geschaffenen Systems, beginnend mit Bretton-Woods-Organisationen – dem IWF, der Weltbank, zu entwickeln. Als wir da beitraten, gab es dort bestimmte Regeln, wir nahmen sie an. Wir traten im Laufe von 17 Jahren der WTO bei. Wir nahmen die Regeln an, die eigentlich Regeln eines fairen Wettbewerbs waren.
Jetzt ist es zerstört. Die WTO hat die Arbeit des Streitbeilegungsgremiums blockiert, nur weil China die USA auf ihrem Feld nach ihren Regeln überholt und zu Recht Entschädigung fordern kann, die vom Gremium sicher beschlossen wird, falls die USA diesem Gremium erlauben, zu arbeiten. Die Amerikaner blockieren einfach die Ernennung neuer Mitglieder für freie Stellen. Dort gibt es kein Quorum, ein reines bürokratisches, im schlimmsten Sinne des Wortes „sowjetisches Parteiherangehen“. Es ist schon seit vielen Jahren so. Gerade weil China bei all diesen Streitigkeiten gegen die USA gewinnen würde, nahmen sie die Reform der WTO auf, wobei öffentlich gesagt wurde, dass diese Reform sich auf die Interessen der USA und EU stützen sollte. Sehr einfach. Den Anderen wird ihr Platz zugewiesen und gesagt, wie sie sich verhalten sollen.
Dasselbe ist im IWF. Wenn man die Kriterien, auf denen der IWF und die Weltbank basierten, betrachtet, dann könnten die BRICS-Länder (diese Situation entstand übrigens bereits vor einigen Jahren) so viele Aktien und Stimmen beanspruchen, die die jetzige Situation ändern würden, in der die USA im Alleingang alle Beschlüsse blockieren können.
Wenn man in den IWF-Mechanismen die Wirtschaftskennzahlen der BRICS-Länder objektiv widerspiegelt, würden die USA ihr Recht verlieren, die Beschlüsse im Alleingang zu blockieren. Denn ihnen wird es an Stimmen und Anteilen fehlen.
Wäre alles gerecht gewesen, hätten wohl auch wir den Leitern unseres Wirtschaftsblocks mehr zugehört, die sagten, dass es positive Aspekte an der Globalisierung gebe. Es gibt diese positiven Aspekte nicht mehr. Wir haben das früher verstanden, weil wir als Erste dem Schlag ausgesetzt waren – im Kontext dessen, was die USA gegen uns über die Ukraine vorbereiteten.
Zudem waren wir nicht so tief in diesem System wie China, mindestens nach dem Handelsumfang, nach der Menge der US-Wertpapiere, die von China im Wert von 1,5 Billionen Dollar erworben wurden. Deswegen ist die Tiefe der „Versenkung“ Chinas ins jetzige System natürlich unvergleichbar mit uns. China wird unvermeidlich diese Abhängigkeit reduzieren. Das steht für mich außer Zweifel. Es hat das bereits angefangen. Es sind alle Zeichen dafür vorhanden. Peking wird mehr Zeit brauchen, um parallele Instrumente und Mechanismen zu schaffen, die es gegen die Willkür der USA als Chefverwalter des globalen Währungs- und Finanz- sowie Handelssystems auf dieser Etappe schützen werden. Aber auf der anderen Seite müssen diese Mechanismen und Instrumente es nicht auf einmal tun. Denn sonst kann es zu großen wirtschaftlichen Erschütterungen kommen angesichts der gegenseitigen Verbindung in Höhe von Billionen US-Dollar zwischen den Wirtschaften der USA und Chinas. Aber es läuft bereits nicht nur die Besprechung, sondern auch die Suche nach den Wegen zur Bildung neuer Mechanismen, und dieser Prozess läuft in Richtung der Fragmentierung globaler Mechanismen. Denn bislang werden die globalen Mechanismen mit den USA und ihren Satelliten assoziiert. Sie sind nicht mehr global, sondern bedienen eine Staatengruppe.
Wenn die Länder Lateinamerikas und der Karibik dazu aufgerufen werden, an ihre Finanzinstrumente zu denken, geht es um Fragmentierung bzw. „Regionalisierung“ der Globalisierung.
In unserer Region besteht die Initiative von Präsident Wladimir Putin darin, die Integrationsprozesse im ganzen großen Eurasien zu betrachten. Dazu gehören die Eurasische Wirtschaftsunion, die ASEAN mit ihren ziemlich weitreichenden Plänen, die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), wo es neben der Sicherheitsagenda auch sehr gute verkehrslogistische und wirtschaftliche Aussichten gibt. Vor diesem Hintergrund würde ich auch natürlich das vorhandene chinesische Projekt „One Belt, One Road“, das chinesische Abkommen über die Zusammenarbeit mit der Eurasischen Wirtschaftsunion nennen.
Wladimir Putin schlug vor rund fünf Jahren vor, sich Gedanken darüber zu machen, diesen Organisationen die Herangehensweisen der anderen Organisationen nicht aufzudrängen, sondern die Pläne zu harmonisieren.
Gibt es keinen Widerspruch zwischen diesen Projekten?
Damit es keine Verdoppelung gibt. Es gibt da Widersprüche. Aber damit es nicht zur Verdoppelung, zur Zerstreuung von Ressourcen kommt. Dieser Prozess hat begonnen. Die Eurasische Wirtschaftsunion hat bereits ein Memorandum über die Zusammenarbeit mit der ASEAN. Die SOZ hat auch ein Memorandum mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, die SOZ hat ein Memorandum mit der ASEAN.
Präsident Wladimir Putin hat vorgeschlagen, den Prozess der Harmonisierung dieser Integrationsbestrebungen als Bildung der Großen Eurasischen Partnerschaft zu bezeichnen. Das war im Jahr 2015 beim Russland-ASEAN-Gipfel in Sotschi. Bereits damals gab es einen objektiven Bedarf, sich eine Alternative für die Globalisierung, die uns seit vielen Jahrzehnten aufgedrängt wurde und die mehr oder weniger allen passte, anzusehen. Das ist auch die Große Eurasische Partnerschaft als Zeichen der Tendenz zur Regionalisierung globaler Prozesse.
Aber doch zu den Risiken. Es gibt eine weit verbreitete Meinung, dass China so „groß“ ist, und wir so „klein“ sind. Etwas könnte sich dann ändern, und wir könnten auf etwas Unüberwindbares stoßen. Inwieweit sind solche Ängste berechtigt?
Wissen Sie, alles ist relativ. Uns wird doch auch zur Last gelegt, dass wir „groß“ sind und alle um uns herum „beleidigen“. Die ehemaligen Sowjetrepubliken werden angeblich nicht entsprechend respektiert. Es wird viele solche Interessenten geben. Es gibt auch viele, die uns mit China einschüchtern wollen. Ich sehe darin ein Spiel, das mit dem Streben verbunden ist, uns an der Zusammenarbeit, an der Koordinierung in der Wirtschaft und in internationalen Angelegenheiten zu hindern. Wir haben keine Zweifel daran, dass die Pläne, die zwischen Russland und China fixiert wurden, den Interessen Russlands und Chinas entsprechen. Diese Pläne bestimmen Russlands Rolle nicht als die eines Untergeordneten. Sie sind gegenseitig gewinnbringend. Sie betreffen nicht nur die Lieferungen der Energieträger nach China. Dazu gehören auch der Weltraum, die Atomenergie, viele andere High-Tech-Branchen.
Ich möchte auch daran erinnern, dass der Westen Russland und China als Autarkien und Hauptbedrohungen bezeichnete. Unser Land ist eine momentane Bedrohung, die dringend irgendwie gehemmt werden muss. Gegen China muss langfristig gekämpft werden.
Vielleicht wollen sie, dass China uns militärisch nicht hilft. Das wird jetzt rund um die Welt, mal Nordkorea, mal Iran mal noch jemandem zur Last gelegt. Bei uns funktioniert die Rüstungsindustrie. Alles wird gut sein. Und in der internationalen Arena werden freche Beschlüsse durchgesetzt, die nur den USA und ihren Satelliten passen, sie sind weder für uns noch für die Chinesen annehmbar. Wir werden Einsprüche dagegen erheben.
Herr Lawrow, zum Schluss ein paar ganz kurze Fragen. Haben Sie bereits russischen Whiskey als Importersatz probiert, nehmen Sie gelegentlich einen kleinen Schluck?
Ich habe ihn als Geschenk bekommen. Die Whiskey-Sorte heißt „Praskowejskoje“, wenn ich mich nicht irre. An vorrangiger Stelle steht bei mir aber eine Flasche mit der Aufschrift „Kyrgyz Whisky".
Und die letzte Frage: Sind Sie für Frieden?
Ich bin für Frieden. Eindeutig. Ich erinnere mich nicht mehr, wer, aber jemand hat mal gesagt: „Wenn du Frieden willst, solltest du dich auf einen Krieg vorbereiten.“ Ich teile diese Philosophie nicht.
Ich teile den Gedanken, den ich so formulieren würde: Wenn du Frieden willst, solltest du immer bereit sein, dich zu verteidigen. Ich denke, dass wir aus der jetzigen geopolitischen Situation gestärkt hervorgehen und im Stande sein werden, uns in jeder Situation noch effektiver zu schützen.
Herr Lawrow, danke für dieses sehr inhaltsreiche und wichtige Interview.