Lawrow im Interview: Ich bin eindeutig für Frieden (Teil 1)

© SNA / Grigory Sysojew / Zugriff auf das MedienarchivRusslands Außenminister Sergej Lawrow gibt Interview dem Generaldirektor der Agentur Rossiya Segodnya Dmitri Kisseljow
Russlands Außenminister Sergej Lawrow gibt Interview dem Generaldirektor der Agentur Rossiya Segodnya Dmitri Kisseljow - SNA, 1920, 03.02.2023
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat dem Generaldirektor der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya, Dmitri Kisseljow, ein großes Interview gegeben.
Der russische Außenamtschef sprach über die Unterdrückung der russischen Kultur und der russischen Sprache in der Ukraine sowie über die „Cancel Culture“ gegenüber Russland im Westen, die Schaffung einer „zweiten Ukraine“ in Moldawien, unerfüllbare Pläne Washingtons, Moskau eine strategische Niederlage zu bereiten, und über die Anstrengungen, die das russische Außenministerium im Ausland unternimmt, um über die Position Russlands in Bezug auf die Situation in der Ukraine aufzuklären.
- Herr Lawrow, Danke für diese Möglichkeit für den TV-Sender „Rossiya 24“ und die Nachrichtenagentur RIA Novosti, mit Ihnen zu den aktuellsten und akutesten Problemen des internationalen Lebens zu sprechen. Es gibt derzeit wohl nur akute Probleme. Die erste Frage ist nicht beruflich, sondern menschlich. Aber zugleich ist sie für Millionen bzw. Milliarden Menschen wichtig: Wann wird das alles enden?
- Wissen Sie, ich kann nicht sagen, dass ich nur damit lebe. Denn die Diplomaten, die Militärs, die dort sehr wichtige Aufgaben zur Gewährleistung unserer Selbstständigkeit, der Interessen unserer Kultur, der Menschen, die Teil der russischen Kultur sein wollen, lösen, denken wohl nicht darüber nach, wann das endet. Sie richten sich nach dem Wunsch, ihren Job eindeutig, schnell und ohne Verluste, genauer gesagt, mit minimalen Verlusten zu machen.

Je aktiver wir sie moralisch und politisch unterstützen, je aktiver wir die aktuelle Entwicklung aus der Sicht der geopolitischen Spiele erklären werden, desto schneller wird es in der Welt zu einem Verständnis kommen, dass man das beenden muss. Und beendet werden muss das ausschließlich dann, wenn wir die Einstellung der Versuche, und sogar nicht der Versuche, sondern des unnachgiebigen Kurses des Westens mit den USA an der Spitze, der darauf gerichtet ist, das nie zu stoppen bis sie meinen, dass jegliche Bedrohungen für ihre Hegemonie beseitigt sind, sehen.
So dass wir auf dieser Etappe ebenso handeln, wie es unsere westlichen Kollegen versprochen haben: Es muss ein Sieg auf dem Kampffeld sein. Das ist ihre Formel. Es waren sie, die auf Verhandlungen verzichteten, das Kiewer Regime dazu zwangen, aus dem Verhandlungsprozess auszusteigen. Und das zu einem Zeitpunkt, als es Ende März noch die Möglichkeit gab, das auf politischem Wege zu beenden.
Aber Kiew wurde das nicht erlaubt. Seit dieser Zeit versuchte niemand, das Kiewer Regime von der Notwendigkeit der Gespräche zu überzeugen. Niemand sagte etwas dagegen, als Selenski mit seinem Erlass Gespräche mit der Russischen Föderation verboten hat. Niemand sagte etwas, als er mehrmals in einer gehobenen Stimmung sagte, dass er nicht verstehe, wer in Russland Beschlüsse treffe, mit wem er dort überhaupt sprechen solle, wenn es dazu käme. Anscheinend ist es nach Freud. Er fühlt sich als eine nicht selbstständige Figur, versteht, dass er manipuliert wird.
- Das ist eine solche Projizierung.
Ja, eine solche Projizierung. Deswegen wollen wir alle, dass es beendet wird. Aber hier ist nicht der zeitliche Faktor wichtig. Wichtig hier ist der Faktor des Wesens. Der Faktor der Qualität der Ergebnisse, die wir für unser Volk, die Menschen, die Teil der russischen Kultur bleiben wollen, denen die Kiewer Junta seit vielen Jahren mit Unterstützung des Westens alles Russische wegnahm, gewährleisten.
Zusätzlich zu den Gesetzen, die unter Pjotr Poroschenko und dann Wladimir Selenski angenommen wurden: Verbot der russischen Bildung, russischer Massenmedien, ukrainischer Massenmedien in russischer Sprache (sie alle wurden geschlossen). Ich spreche schon gar nicht von den Festnahmen von Abgeordneten, die zumindest irgendwie das Streben zeigten, nach Vereinbarungen mit der Russischen Föderation zu suchen. Danach kamen die Beschlüsse, die es gestatteten administrative Strafen gegen jene zu verhängen, die im Alltag (in Geschäften, Krankenhäusern) die ukrainische Sprache nicht benutzen. Und seit kurzem gibt es irgendeinen Bevollmächtigten für den Schutz der Amtssprache, an dessen Namen ich nicht erinnere, der buchstäblich gestern oder vorgestern mit der Initiative aufgetreten ist, die zwischenmenschliche Kommunikation in der russischen Sprache zu verbieten. Also könnte, wenn ein Mann mit seiner Frau zu zweit in der Küche Tee trinken, irgendein „Zuträger“ wie bei uns früher durchaus fordern, gegen sie ein Strafverfahren einzuleiten. Eine gute Perspektive für die Spitze dieses Regimes.
- Aber das ist ziemlich heuchlerisch. Zum Beispiel wurde an der Kiew-Mogiljansk-Akademie die russische Sprache verboten. Zunächst an dieser alten Hochschule und nun in allen anderen Hochschulen. So ist der Plan. Aber aus irgendeinem Grund werden die Jungen, die Russisch sprechen, buchstäblich auf den Straßen aufgegriffen, entführt und in die Armee gesteckt. Also darf man für die Ukraine auch ohne die ukrainische Sprache, mit der russischen Sprache kämpfen. Hier gibt es keine Gegenanzeigen für russischsprachige Menschen.
Aber jeder internationale Prozess hat doch eine eigene innere Logik. Und wir sprechen über die Beendigung des Konfliktes, wie wir sie uns vorstellen. Aber bislang ist das Ende nicht in Sicht, weil die Eskalation des Konfliktes offensichtlich ist, und es nicht klar ist, wo er aufhört. Es sind keine Rahmen in Sicht. Es werden bereits schwere Waffen geliefert. Worauf soll man sich vorbereiten?
Wir gehen von objektiven Realitäten aus. Vor allem von den Realitäten, die in unserer Gesetzgebung, unserer Verfassung verankert sind. Vier neue Regionen: zwei Volksrepubliken und zwei Gebiete traten laut den Ergebnissen eines Referendums der Russischen Föderation bei. Hier kommen meines Erachtens keine Fragen auf. Dass der Westen sich nicht beruhigen kann und wie in traurig bekannten Märchen mit jedem Schritt immer mehr im Moor feststeckt, wirkt sich meiner Meinung nach natürlich stark auf den Verlauf der Operation aus. Denn, wenn wir jetzt die Artillerie der ukrainischen Streitkräfte auf eine solche Entfernung wegdrängen, dass sie keine Bedrohung für unsere Gebiete darstellt, so müssen, je weitreichender die Waffen sind, die an das Kiewer Regime geliefert werden, diese Waffen umso weiter von den Gebieten verdrängt werden, die zu unserem Land gehören.
Diese Eskalation, da haben Sie völlig Recht, hat wie ein Schneeball begonnen. Alles begann mit Helmen für die ukrainischen Militärs. Dann tauchten Schusswaffen auf. Jetzt wird schon aktiv über Flugzeuge gesprochen. Der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, hat zwar beteuert, dass es dazu nie komme, aber er ist für seine Fähigkeit bekannt, seine eigene Position ziemlich schnell zu ändern. Zudem ist er dort nicht alleine. Er sagte, dass die Nato nie gegen Russland kämpfen werde, aber die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte, dass sie bereits gemeinsam einen Krieg gegen Russland kämpfen. Die Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh sagte, dass es nicht schlimm sein würde, falls Kiew Bombenangriffe auf die Krim beginne. Entweder ziehen sie sich so selbst auf, oder sie verstehen nicht, wovon sie reden.
Aber was interessant ist, Scholz hat mal gesagt, dass die jetzige Krise mit der Invasion Russlands in die Ukraine begonnen habe. Er hört sogar nicht seinen Vorgängern zu, weil sogar die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, dass im Jahr 2015, als das Minsker Abkommen unterzeichnet wurde, niemand vorhatte, es zu erfüllen. Wenn man nicht eingesteht, dass die Samen der Krise gerade damals gesät wurden, heißt es, dass man ein Politiker ist, der die Wahrheit nicht sehen will. Aber auch das Jahr 2015 ist nicht das wichtigste Datum dabei. Erinnern wir uns an den Staatsstreich von 2014, der sich ebenfalls entgegen den Garantien ereignete, die im Dokument über die Regelung und Durchführung vorgezogener Wahlen durch Deutsche, Franzosen und Polen fixiert wurden. Am nächsten Morgen wurden diese Garantien mit Füßen getreten. An die Macht kam ein offen nazistisches Regime, darunter die Freiheitspartei. Es gab so eine Person, Oleg Tjagnibok (jetzt hört man kaum etwas von ihm), der in den damaligen Jahren von vielen europäischen Ländern als Neonazi eingestuft wurde. Sein Motto, das er öffentlich vorlas – „Russen, Juden und Polen töten“. Auf diese Menschen wurde (in Kiew – Anm.d.Red.) gesetzt, wie auch auf Neonazis aus den Bataillonen Asow, Aidar u.s.w.
Jetzt werden aktiv alle Informationen darüber gelöscht, dass diese Strukturen im Westen als extremistisch bzw. terroristisch galten. Die Japaner entschuldigten sich vor kurzem und strichen Asow von der Liste der extremistischen Organisationen.
Aber man muss wohl ein marxistisches Herangehen zeigen und nach tieferen Gründen für die jetzigen Ereignisse suchen. Ich würde empfehlen, sich zumindest der Amtszeit von Barack Obama zuzuwenden - das ist nicht schwer, alles ist vorhanden - und seine Erklärungen über die amerikanische Ausschließlichkeit zu lesen. Dann kann man eine ähnliche Aussage des Präsidenten Donald Trump darüber lesen, dass die USA eine ausschließliche Nation seien und es keine andere solche Nation gebe, sie trage eine riesengroße Verantwortung. Auch Joe Biden förderte mehrmals diesen Gedanken, der dann von seinen Mitarbeitern formuliert wurde. So sagte US-Außenminister Antony Blinken, dass die Amerikaner verpflichtet seien, ihre Führungsrolle, ihre ausschließliche Fähigkeit zur Führung umzusetzen, denn falls es nicht sie seien, werde es in der Welt Chaos geben. Sehr bescheiden. 2021 schrieb Jake Sullivan kurz nach seinem Amtsantritt als Sicherheitsberater Bidens einen ganzen Artikel, wobei ich mich nicht erinnere, für welche Zeitschrift das war, das lässt sich aber leicht finden, in dem er sich wieder Gedanken zum Thema der Ausschließlichkeit machte und darin direkt betonte (meines Erachtens war es ein schreckliches Ding): „Unsere Ausschließlichkeit bedeutet, dass wir es nicht zulassen können, den Schwerpunkt auf ethnische und historische Identität zu legen, wir müssen die neue freie Demokratie überall verbreiten“. Das bedeutet nur Eines – allen anderen wird das Recht verweigert, die eigene Geschichte im Gedächtnis zu haben. Die Amerikaner wollen so alle Anderen umschmelzen (wie sie alle Menschen im Schmelztiegel umschmelzen ließen, die einst nach Amerika kamen), damit alle de facto „Amerikaner“ sind.
- Auch Ureinwohner wurden umgeschmolzen.
Ja, aber sie wurden so umgeschmolzen, dass…
- ..dass nichts übriggeblieben ist.
Nichts ist übriggeblieben. Sehen sie, was jetzt in den USA vor sich geht, welche Spaltung dieser Gesellschaft. Und wie jetzt die Behörden sie unterdrücken wollen, wobei ziemlich „autoritäre Instrumente“ (das sind ihre Begriffe) genutzt werden. Man muss dort nach den Gründen suchen. Diese Ausschließlichkeit, diese absolute Überzeugung von der eigenen Unfehlbarkeit, der Überlegenheit, ist meiner Überzeugung nach der Hauptgrund, warum wir jetzt den Ländern Widerstand leisten, die jetzt via das Kiewer Regime gegen uns einen Hybridkrieg, und schon nicht nur Hybridkrieg, führen.
Vor kurzem liefen große Diskussionen über die Parallelen, die in den Auftritten der ukrainischen Führung zu hören waren. Ich habe auch darüber gesprochen, dass sowohl 1812 als auch 1941 jene, die sich die Welt unterordnen wollten, beginnend mit Europa, einen großen Teil der Länder des Kontinents für den Beginn eines Krieges gegen die Russische Föderation versammelten. Ich sehe keinen großen Unterschied. Zumal während der großen Tage des Vaterländischen Krieges, des Zweiten Weltkrieges gegen uns die nazistische Ideologie genutzt wurde. Und warum weigern sich die Menschen, die nazistische Ideologie zu sehen, die jetzt die Grundlage des Kiewer Regimes bildet? Alle Erklärungen, die seitens seiner Anhänger und Drahtzieher zu hören sind, können nicht anders als ein Versuch wahrgenommen werden, die „russische Frage“ endgültig zu lösen. Russland soll eine strategische Niederlage erleiden. Und lange Zeit nicht aufstehen können. Die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen sagte, dass das Ergebnis des Krieges die Niederlage Russlands sein müsse – und es müsse solch eine Niederlage sein, das es im Laufe von vielen Jahrzehnten seine Wirtschaft nicht wiederaufbauen könne. Ist das kein Rassismus, kein Nazismus, kein Versuch zur Lösung der „russischen Frage“? Ja, nicht in Gaskammern. Noch nicht. Es gibt in Deutschland noch viele anständige Menschen, die die Wiederbelebung des Faschismus nicht zulassen werden, aber es gibt dort auch solche, die nicht dagegen wären.
Deshalb sind wir im Mittelpunkt einer geopolitischen Schlacht. Hier darf es keine Zweifel geben. Jene, die an der vorderen Linie sind, die praktische Aufgaben lösen, machen eine sehr wichtige Sache. Sie sind Helden, und ihre Heldentaten sind Heldentaten im Namen der Zukunft der Menschheit, die die Schaffung der Bedingungen für eine völlige Hegemonie der Vereinigten Staaten, die in ihren Doktrinen festgeschrieben sind, nicht zulassen werden.
- Herr Lawrow, danach zu urteilen, was Sie von der Außerordentlichkeit oder von einer strategischen Niederlage Russlands sagen, sieht der Westen ein weiteres Bestehen Russlands in der Zukunft gar nicht vor. Russland soll nach seiner Auffassung entweder aufgeteilt oder irgendwie anders gespalten werden. Es wurde sogar ein neuer Begriff erfunden: „Reföderalisierung“. Die Polen reden oft davon. Was bleibt denn der Diplomatie unter diesen Bedingungen übrig?
- Wir werden nicht ohne Arbeit bleiben.
- Ja, wirklich?
- Wir werden nicht ohne Arbeit bleiben, und sie wird jetzt gleich in mehreren Richtungen geführt. Erstens bringen wir unsere Linie in der internationalen Arena sehr intensiv voran, führen unsere Argumente an und erläutern die Wahrheit. Im Westen will niemand ernsthaft darüber nachdenken, ob man in Amerika oder in Europa in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. Es gilt, dass alles am 24. Februar 2022 begonnen hätte. Das war auch 2014 so: Für sie begann alles damals nicht mit dem Staatsstreich, sondern damit, was sie als „Annexion der Krim“ bezeichnen. Ich sprach persönlich mit Angela Merkel, mit Francois Hollande, mit Emmanuel Macron. Und er sagt: Na, wieso denn? Sie sagen: Nein, wenn es die Annexion nicht gegeben hätte, dann wäre alles gut gewesen. Aber zur so genannten „Annexion“ kam es, weil die Machthaber, die nach dem Putsch gekommen waren, gesagt hatten, dass der regionale Status der russischen Sprache abgeschafft werden sollte (so war ihr instinktiver Aufruf). Damals wurde das nicht getan, aber jetzt sind sie schon ganz nahe dran. Aber das waren Instinkte, die die damalige Macht charakterisierten. Und zwei Tage später verlangte sie von den Russen, von der Krim abzuhauen, und schickte Banditen dorthin. Und erst darauf haben die Krimbewohner reagiert. Aber diese westlichen Politiker erklärten: „Nein, wenn es die Annexion nicht gegeben hätte, dann wäre alles gut gewesen.“ Aber in welcher Hinsicht gut? In der Ukraine würden Neonazis regieren – all diese Tjagniboks, Jazenjuks. Letzterer nannte übrigens die Menschen, die die Ergebnisse des Staatsstreichs nicht akzeptieren wollten, „Nichtmenschen“. Auch Selenski ist nicht viel besser, denn er nannte die Menschen, die gegen die Wiedervereinigung mit der Ukraine ohne die Minsker Bedingungen waren bzw. sind, „Exemplare“ (Personen, die von Sanktionen des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats getroffen wurden – Anm. der Redaktion) und gab den Menschen, die in der Ukraine leben, sich aber an die russische Kultur, an russische Traditionen, an die russische Geschichte gebunden fühlen, folgenden Rat: „Für die Zukunft euer Kinder und Enkel haut nach Russland ab!“ Hat darauf jemand reagiert? Hat jemand darin nicht einmal die Wurzeln, sondern schon den aufgeblühten Nazismus gesehen? Nein, niemand! Natürlich verwies unsere Diplomatie die zuständigen UN- und OSZE-Gremien und auch den Europarat auf dieses inakzeptable Vorgehen. Aber der Westen hat nichts getan und seinem Schützling und dessen Regime nicht einmal mit dem Zeigefinger gedroht. Er wurde immer wieder gerechtfertigt, übrigens auch von der OSZE-Mission, die die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen voranbringen sollte. Viele Mitarbeiter – inzwischen sind diese Fakten bekannt geworden – halfen den Kiewer Militärs bei der Planung von Einsätzen, indem sie ihnen Daten von Drohnen mitteilten, die hätten ausschließlich im Rahmen des Einsatzes der OSZE-Beobachtungsmission verwendet werden sollen. Es gibt noch den zweiten Aspekt neben der Wahrheit, die wir verbreiten, und dem Kampf gegen „Fakes“, den wir gnadenlos führen müssen. Wir haben auf unserer Website eine spezielle Rubrik. Außerdem reagieren wir tagtäglich auf jegliche Eskapaden der Kräfte, die das reale Weltbild entstellen wollen. Und natürlich gibt es noch eine Richtung unserer Arbeit: Das ist die diplomatische Arbeit mit unseren Partnern in der ganzen Welt. Wir entwickeln gerade intensiv den Ausstauch von Delegationen auf der Minister- und Vizeminister-Ebene, besuchen die Länder, mit denen wir Pläne zum Ausbau unserer konstruktiven Kooperation haben. Und diese Arbeit ist sehr wichtig. Erstens weil die Vereinigten Staaten und der ganze Westen, den die USA sich untergeordnet haben, so dass die Europäische Union die allerletzten Merkmale von Selbstständigkeit verloren hat – die sind ja bekanntlich große Demokraten. Aber sie betrachten Demokratie als ihr eigenes Recht, allen anderen ihre Vorstellung von Demokratie aufzuzwingen. Aber wenn Sie versuchen, mit ihnen über die Notwendigkeit von demokratischen Herangehensweisen an internationale Fragen zu sprechen, zeigen sie überhaupt keinen Enthusiasmus.
- Sie verhalten sich totalitär.
- Totalitär, ja. Obwohl die UN-Charta, in der das Wort „Demokratie“ nicht erwähnt wird (aber vielleicht ist das auch besser so, denn dort ist das Hauptprinzip erwähnt, und es gibt nichts Demokratischeres als das, dass die UNO auf Basis der demokratischen Gleichheit der Staaten gegründet wurde. Punkt. Und diese souveräne Gleichheit der Staaten. Wenn jemand Respekt für dieses Prinzip in jeglichen Handlungen unserer westlichen Kollegen entdeckt, wäre ich bereit, diese Person für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Aber was passiert vorerst? Wenn es um Demokratie geht, dann hast du deine Meinung geäußert und deine Opposition ihre. Aber alle anderen sollten die Möglichkeit bekommen, erwachsene Menschen zu sein und sich zu entscheiden, auf wessen Seite sie sind. Welche Einschätzung, welche Position ihnen besser passt. Dasselbe hätte auch in Bezug auf die Ukraine-Krise passieren sollen. Putin hat sehr ausführlich die Ziele, Gründe und die Unvermeidlichkeit unserer militärischen Spezialoperation erläutert. Dabei hat er das nicht spontan, sondern nach langen acht Jahren (ja sogar noch mehr) erklärt, angefangen mit seiner Münchner Rede 2007, nach den langen, langen Jahren, in denen wir dem Westen erläuterten, dass er in die falsche Richtung rudert und alles zerstört, was er selbst im Sinne seiner Verpflichtungen erfüllen sollte, angefangen mit der Unteilbarkeit der Sicherheit in Europa, mit der Unannehmlichkeit davon, dass jedes Land seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer festigt. Und es gibt noch einen sehr wichtigen Moment: Es ist inakzeptabel, dass jede politische Organisation in Europa Dominanz im militärpolitischen Bereich beansprucht. Das ist inakzeptabel. Die Nato machte das, was eben verboten war. Diese Prinzipien waren bereits 1999 formuliert und 2010 bestätigt worden. Doch alle Versuche, den Westen zu zwingen, das zu erfüllen, was damals die Präsidenten und Premierminister unterzeichnet hatten, blieben erfolglos. Genauer gesagt, man teilte mit, dass ja, dies alles politische Parolen waren, aber juristische Garantien könnte nur die Nato abgeben – und dadurch nochmal alles verletzen, was nur verletzt werden könnte. Dennoch erläuterten wir ihnen alles sehr lange und haben am Ende gesagt: Jungs, Ihr alle habt gehört, was wir jahrelang sagten, und jetzt haben wir diese Entscheidung getroffen. Der Westen reagierte darauf negativ und verurteilte uns. Die meisten Entwicklungs- bzw. Schwellenländer zeigten sich neutral. Ihre Neutralität sollte man respektieren. Der Westen aber sendet an alle Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas tagtäglich Signale: „Empfangt keine russischen Delegationen, verurteilt sie, schließt euch den Sanktionen an!“ Die absolut meisten Länder respektieren sich selbst, und deshalb sagen selbst kleine Staaten in Afrika, die anderthalb, zwei Millionen Einwohner haben: „Ja, sorry, aber wir haben unsere Pläne zur Kooperation mit Russland, wir empfangen sie und besuchen sie selbst.“ Aber dafür droht man ihnen mit Strafen. Denn die Amerikaner, sie sind ja wofür bekannt? Wenn sie dir etwas vorschlagen, dann wollen sie etwas von dir, versprechen dir jedoch nichts im Gegenzug. Sie sagen: Mach das so, sonst bestrafen wir dich! Das ist aus meiner Sicht die Höhe des Pragmatismus – und auch des Zynismus natürlich. Deshalb hat unsere Diplomatie alle Hände voll zu tun. Wir müssen tagtäglich erläutern, was gerade vorgeht, Lügen dementieren, die bezüglich unserer Weigerung, an Verhandlungen teilzunehmen, verbreitet werden. Ich habe bereits reale Fakten angeführt. Auch Stoltenberg sagte übrigens, der Weg zum Frieden sei das „Vollstopfen“ der Ukraine mit Waffen, damit sie auf dem Schlachtfeld gewinnt. Und Selenski selbst hat übrigens seinen Plan veröffentlicht, nämlich irgendeine „Friedensformel“ aus zehn Punkten, die alle völlig durcheinander sind: Nahrungssicherheit, Energiesicherheit, Biosicherheit, Russlands Verdrängung hinter die Grenzen von 1991, ein Tribunal gegen Russland, Reparationen, zu denen Russland gezwungen werden sollte… Und der allerletzte Punkt wäre die Unterzeichnung eines Friedensabkommens. Naja, das ist eine sehr „realistische“ Initiative. Ich denke, Wladimir Selenski hat manchmal eine große Fantasie. Also soll der Westen jetzt dieses „literarische Werk“ lesen. Und natürlich wird unsere Diplomatie alles dafür tun, dass die antirussischen Aktionen in New York und auf anderen Plattformen, an denen der Westen gemeinsam mit Kiew gerade arbeitet, nicht die einzigen Veranstaltungen bleiben, die die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf sich ziehen. Wir fertigen unsererseits bestimmte Berichte darüber an, was in diesem Jahr passiert ist, was entdeckt werden konnte. Dabei geht es nicht nur um die militärbiologischen Programme der Vereinigten Staaten, die jetzt behaupten, damit nichts zu tun zu haben, und dabei natürlich lügen – wie immer. Und es geht auch nicht nur um die direkte Beteiligung der Vereinigten Staaten an den Explosionen an den Pipelines Nord Stream. Inzwischen hat sogar Frau Nuland das eingeräumt. Also gibt es viele Dinge, an die erinnert werden muss und wo gezeigt werden muss, mit welchen Methoden die USA ihre Hegemonie erreichen; seit welch langer Zeit (davon zeugen die Zitate, die ich anführte) sie die Ukraine gegen uns einstellen wollten und das ukrainische Regime vorbereiteten, damit es im Sinne der westlichen „Lizenz“ einen Krieg gegen die Russische Föderation beginnt. Und wie lange die USA für diesen Krieg (der seit langem geplant wurde, da bin ich ganz sicher) mobilisieren, vor allem Europa, die Europäische Union, die gezwungen wird, ihre Waffen der Ukraine zu überlassen. Inzwischen hat dieser Prozess die Abschlussphase erreicht. Und gleichzeitig bauen die Amerikaner ihre Waffenproduktion aus und zwingen Europa, im Sinne der zuvor getroffenen Nato-Vereinbarungen zwei Prozent vom BIP für Waffen auszugeben, US-Waffen zu kaufen. Und parallel unterdrücken sie Europa wirtschaftlich. Das gehörte zweifellos auch zu den Plänen derjenigen, die an die Außerordentlichkeit ihres Landes glauben. Denn jetzt sehen Sie nur, wie Macron und Scholz inzwischen Besorgnisse über Gesetze äußern, die die Amerikaner zwecks Inflationsbekämpfung verabschiedet haben, in Wahrheit aber das Ziel verfolgen, die Produktion in die USA zu verlegen. Und dieser Prozess hat schon begonnen. Die deutsche Industrie läuft dorthin, wo es Vergünstigungen gibt, und diese Vergünstigungen sind definitiv diskriminierend. Sie sind eindeutig gegen die europäische Industrie gerichtet. Das ist die Außerordentlichkeit dieser Arbeit. Und das letzte, was die EU angeht, die versuchte, ihr eigenes Spiel zu führen. Vor zwei, drei Wochen hat die Europäische Union eine Deklaration mit der Nato unterzeichnet, in der verankert ist, dass die EU alles tun wird, was die Nato braucht. Also erreichen die Amerikaner ihre Ziele, und das müssen wir lautstark erklären, denn aktuell ereignet sich alles in Europa, aber die Pläne erweitern sich schon in Richtung Asien. Und Stoltenberg spricht davon in der Nato. Auf dem Gipfel in Madrid im Juni 2022 wurde erklärt, dass die Nato eine globale Verantwortung trägt. Und die militärischen Blockstrukturen, die im Asien-Pazifik-Raum gegründet werden und gegen China und Russland gerichtet sind (beispielsweise AKUS), und es werden immer neue Mitglieder herangezogen… Außerdem beteiligen sich auch solche großen „Pazifik-Großmächte“ wie Großbritannien und Frankreich daran, die an Übungen im Südchinesischen Meer teilnehmen, die provokant und unverhohlen gegen China gerichtet sind. Es gibt auch viele andere Dinge. Also gucken alle sehr aufmerksam darauf, in welchen Formen diese Außerordentlichkeit umgesetzt wird. Und es geht dabei darum, alle anderen sich unterzuordnen und neue einseitige wirtschaftliche Präferenzen zu erreichen, um eine Krise zu verhindern, die sehr schlimm für die US-Wirtschaft wäre. Der Präsident hat erwähnt, dass dieses Vorgehen natürlich die Fortsetzung der kolonialen Traditionen ist – auf Kosten anderer zu leben.
- Herr Lawrow, wir haben noch viele Fragen. Deshalb lassen Sie uns schneller werden. Die Verwandlung der Ukraine in ein Anti-Russland erwies sich als ein erfolgreiches Projekt – in dem Sinne, dass die Ziele erreicht worden sind. Welches Land könnte auch diesen Weg gehen: Kirgisien, Kasachstan?
- Jetzt wird Moldawien für diese Rolle anvisiert. Vor allem weil man dort mit recht spezifischen Methoden, fern von freien demokratischen, eine Präsidentin an die Macht gestellt hat, die selbst in die Nato drängt. Sie hat die rumänische Staatsbürgerschaft und ist bereit, sich mit Rumänien zu vereinigen – und generell ist sie zu allem bereit. Und dass parallel mit diesem ihrem Pro-Nato- und Pro-EU-Drang der Westen und Chisinau sich weigern, die Arbeit im 5+2-Format wiederaufzunehmen, an dem Tiraspol, Russland, die USA, die OSZE und die UNO beteiligt sind, spricht Bände. Dieses Format gilt im Westen als nicht mehr passend, weil es nötig war, als in Chisinau Kräfte an der Macht standen, die an der territorialen Einheit und an den Vereinbarungen mit Transnistrien interessiert waren. Und als die Kräfte an die Macht kamen, die das Transnistrien-Problem gewaltsam lösen wollen und auf dem Abzug unserer Friedenskräfte, die die Munitionslager in Kolbasna bewachen, bestehen, sind Verhandlungsformate ja gar nicht nötig. Man muss einfach die Machthaber unterstützen. Ich will jetzt nicht über die Einzelheiten sprechen, aber das ist eines der Länder, die der Westen in ein neues Anti-Russland verwandeln will. Er versuchte (und versucht), das auch mit Georgien zu tun, wo die Präsidentin Saloma Surabischwili ist, die ich gut kenne, die 2004 und 2005 Außenministerin war und mit der wir übrigens gemeinsam mit unseren Militärs an den Vereinbarungen über den Abzug von zwei unserer Militärstützpunkte arbeiteten. Dort gibt es übrigens auch ein interessantes Moment: Die Erklärung über den Abzug von zwei unserer Stützpunkte enthielt auch die Vereinbarung über die Bildung eines georgisch-russischen Anti-Terror-Zentrums auf einem dieser Stützpunkte, wo wir an der Beseitigung dieser Gefahren arbeiten würden. Die meisten Militärs sollten dabei Georgien vertreten: etwa 700. Von unserer Seite wären das etwa 100 Offiziere. Alles war in einem „Paket“ enthalten. Als unsere Stützpunkte abgezogen wurden und wir damit unseren Teil der Vereinbarung erfüllt hatten, weigerte sich Saakaschwili vehement, dieses Zentrum einzurichten. Damals waren noch gute Zeiten. Niemand dachte, dass er Südossetien überfallen würde. Aber selbst in der damaligen positiven Atmosphäre, als noch neue Beziehungen entwickelt werden konnten, hat man uns belogen. Damals war das Saakaschwili, dem seine „Betreuer“ zweifellos gesagt hatten: „Gemeinsame Zentren mit Russland sind nicht nötig.“ Und jetzt gibt es in Georgien neben der Präsidentin, die zum Glück den Entwicklungsweg des Landes nicht bestimmt und eher eine repräsentative Funktion erfüllt, auch die Regierung. Ich will nicht, dass jemand denkt, dass ich diese Regierung mit den positiven Worten kompromittiere. Aber ich will einfach die Präsidentin und ihre Minister zitieren, die trotz des beispiellosen Drucks und der Forderungen, sich den Sanktionen anzuschließen und eine zweite Front zu eröffnen (dort greift man inzwischen auch auf solche Begriffe zurück), sagen: „Wissen Sie, wir richten uns nach unseren nationalen Interessen. Wir handeln mit Russland, entwickeln die touristische Branche und erhalten Energieträger von ihm. Und das entspricht den Interessen des georgischen Staates und des georgischen Volkes.“ Aber dass man Georgien ebenfalls in einen Störfaktor verwandeln und die Situation zurück in die aggressiven Saakaschwili-Zeiten versetzen will, daran habe ich keine Zweifel.
Damit übrigens in der Region eine konstruktive und entwicklungsorientierte Situation entsteht, bringen wir dort das 3+3-Format voran: drei südkaukasische Länder (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) plus drei große Nachbarländer (Russland, die Türkei, der Iran). Die ersten Kontakte in diesem Format haben bereits stattgefunden, und wir werden diese Arbeit auch fortsetzen. Was die zentralasiatischen Staaten angeht, so besprechen wir dieses Thema mit unseren Freunden auf dem Niveau der Außenministerien und auch auf dem Niveau der Sicherheitskräfte durchaus offen, denn das ist unmittelbar mit der Sicherheit der Länder verbunden. Wir sehen, wie intensiv unsere westlichen Kollegen jahrelang versucht haben, ihnen proamerikanisch, proeuropäisch und Pro-Nato-orientierte Nichtregierungsorganisationen aufzuzwingen, wie auch solche Strukturen wie die Agentur für internationale Entwicklung (USAID), die beim US-Außenministerium arbeitet und sich mit der Verbreitung der so genannten „Soft Power“ befasst, die manchmal eher hart wird. Und ja, es ist wohl nicht zu bestreiten, dass der Westen mit diesen „Soft Power“-Instrumenten die weitere Entwicklung freundschaftlicher Verbündetenbeziehungen zwischen uns und unseren Nachbarn, darunter mit manchen zentralasiatischen Ländern, infrage stellen will. Aber ich sehe da keinen Grund, zu vermuten, dass diese Bemühungen des Westens mehr oder weniger positive Reaktionen hervorrufen werden. Unsere Nachbarn, Verbündeten und strategischen Partner sehen diese Spiele. Erst gestern traf ich mich mit den Vorsitzenden der auswärtigen Ausschüsse der OVKS-Parlamentsversammlung, die an einer Veranstaltung in der Staatsduma in Moskau teilnahmen, aber auch Zeit für ein Treffen mit mir fanden. Ich kann sagen, dass wir genauso wie bei den Treffen der OVKS-Spitzenpolitiker sehen, dass unsere Freunde sehr gut verstehen, welche Ziele der Westen in unserem gemeinsamen Raum verfolgt. Und sie wollen zusätzliche Mechanismen schaffen, die die weitere Entwicklung unserer Integrationspläne in solchen Formen fördern würden, die vom Westen unabhängig und gegen einen illegalen Einfluss von außerhalb abgesichert wären. Aber gegen Russland gerichtete Arbeit wird in den Teilen des postsowjetischen Raums, wo der Westen präsent ist, immer geführt.
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