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Die EU sucht weiter ihren Platz in Afrika
Die EU sucht weiter ihren Platz in Afrika
Das gerade zu Ende gegangene Gipfeltreffen zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union ist Teil eines alten Wettlaufs um Einfluss auf dem reichen... 20.02.2022, SNA
2022-02-20T14:35+0100
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Was die EU nun in Brüssel in einem Format von 71 (sic) Delegationen zum sechsten Mal veranstaltete, nämlich eine Partnerschaft mit Afrika zu beschwören, das macht die Volksrepublik China seit dem Jahr 2000 regelmäßig. Die afrikanisch-chinesische Kooperation ist seit 22 Jahren auf vielen Ebenen institutionalisiert; von der politischen Ebene abwärts besteht ein dichtes Geflecht an intensiver wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Zusammenarbeit. Die Auslandsstudenten, die ich im Jahre 2008 an zwei Universitäten in Peking unterrichtete, kamen in großer Zahl aus afrikanischen Staaten. Das Leitmotiv der chinesischen Afrikapolitik war und bleibt die sogenannte Süd-Süd-Kooperation*, mit dem Hinweis, dass gemeinsame historische Erfahrungen mit dem Kolonialismus bestehen.Die vielen ThemenverfehlungenDies sei zur Einleitung angemerkt, denn die zögerlichen Bemühungen der EU bzw. vor allem der einstigen Kolonialmächte, zu denen auch Deutschland gehörte, mit Afrika ins Geschäft zu kommen, fallen eher in die Rubrik Konferenzereignis als Kooperation. Senegal führt derzeit den Vorsitz in der Afrikanischen Union (AU).Präsident Macky Sall machte in seinen Erklärungen auch klar, wo die vielen Bruchlinien bestehen. Denn während die EU und ihre Mitglieder nicht müde werden, auf dem Kontinent eine Energiewende möglichst nach deutschem Vorbild einzuleiten, verweist Sall zu Recht darauf, dass erstens die AU-Mitglieder nicht den Klimawandel mit seinen aktuellen Folgen verursachen und zweitens fossile Energieträger für die Stromversorgung erforderlich sind. Zugang zu leistbarer und zuverlässiger Elektrizität ermöglicht erst eine Entwicklung. Die Realitätsverweigerung Brüssels in Sachen Energiepolitik schwappt immer wieder auch auf den afrikanischen Kontinent über.Es ist herrschende Praxis, dass viele EU-Staaten, ebenso Großbritannien, Afrika nicht auf der oft zitierten Augenhöhe begegnen. Vielmehr geht es um Sicherheitsfragen - Stichwort islamistischer Terrorismus - Fluchtrouten, Wirtschaftsmigration und das allgegenwärtige „mercy-business“, also Entwicklungszusammenarbeit. Letztere ist bedauerlicherweise oft eine Art verdeckte Exporthilfe für die jeweiligen heimischen Unternehmen. In den letzten Jahrzehnten dominierte hierbei oft das Thema „erneuerbare Energien“, auch wenn die Bedürfnisse der betroffenen Staaten im Sinne wirtschaftlicher Entwicklung ganz wo anders liegen. Der Verweis des AU-Vorsitzes auf die energiepolitischen Fakten wird aber in den europäischen Hauptstädten kaum zum Umdenken führen. Und dass die Mobiltelefonie wie auch die Photovoltaik und Elektromobilität Rohstoffe benötigen, die auch ihre physischen Grenzen haben oder auch unter dubiosen Arbeitsbedingungen gefördert werden, fällt bei der steten Suada gegen Erdöl kaum ins Gewicht.Auch in Sachen Pandemie und Gesundheitspolitik zieht sich die EU eher auf ein Moralisieren zurück als pragmatisch zu handeln. Die Freigabe von Impfpatenten wusste Deutschland zu verhindern, während die US-Regierung für kostenlose Lizenzen warb. Wenn nun Impfstoffe in Lizenz in sechs afrikanischen Staaten produziert werden sollen, stellt sich auch die Frage: Was passiert mit all den anderen Krankheiten, für die sich Pharmafirmen bislang nicht interessierten? Gesundheitspolitik, Familienplanung und Urbanismus sind Themen, bei denen europäische Regierungen auch untereinander selten auf einen grünen Zweig kommen.Truppenabzug aus MaliSeit 2002 wurden einige EU-Staaten, oft unter französischer Ägide, militärisch zunehmend aktiv. Infolge der Präsenz von Ablegern der aus Saudi Arabien stammenden Al-Qa’ida kanalisierten Paris, Berlin und vor allem Washington Milliarden in die Terrorismusbekämpfung in die Sahel-Staaten. Dort waren nach der europäischen Intervention in Libyen im März 2011 staatliche Strukturen implodiert. Es folgte die großangelegte französische Militäroperation in Mali, an der sich auch deutsche Truppen beteiligten. Das Resultat ist verheerend. Weder gelang es, eine zentrale Armee zu stützen noch mit den Regierungen an einem Strang zu ziehen. Just in diesen Tagen erfolgt daher der Abzug der europäischen Verbände aus Mali. In der französischen Berichterstattung wird täglich dazu kommentiert, oft genug mit dem Verweis, dass die „1000 russischen Söldner der Wagner-Gruppe“ daran schuld wären. Die Tatsache, dass viele Staaten in dieser Region wie auch im Nahen Osten schon zu Zeiten der Entkolonialisierung, also seit den 1950er Jahren den Blick nach Moskau richteten, erwähnt zwar mancher Pariser Afrika Experte. Dennoch kommt die eigene Manöverkritik zum Scheitern dieser teuren Einsätze, in denen auch Dutzende Soldaten ihr Leben verloren, viel zu kurz.Migration über das MittelmeerDie vielen Fluchtrouten vom afrikanischen Kontinent über das Mittelmeer beherrschen die Innenpolitik von Frankreich über Spanien bis nach Deutschland und immer wieder in Österreich. Die Fluchtgründe sind zahlreiche. Die demographischen Entwicklungen sprechen dafür, dass der Bevölkerungsdruck anhält.Was in Barcelona 1995 bereits beschlossen wurde, nämlich im Namen der Migration mit den Staaten im südlichen und östlichen Mittelmeer Raum zu kooperieren, endete mit dem Fiasko der arabischen Revolten 2011. Der aktuelle französische Präsidentschaftswahlkampf findet auch im Namen der irregulären Migration statt. Die Mitte hat schon lange Positionen der Rechten übernommen. Afrika spielt dabei immer wieder seine Rolle.Die bilaterale Politik dominiertLetztlich bevorzugen viele der einstigen Kolonialmächte – und nicht nur diese – ihren eigenen bilateralen Zugang zu den afrikanischen Staaten, um ihre jeweiligen Exportinteressen zu bedienen, die nicht selten im Rüstungssektor liegen, und auch um Abschiebeabkommen bilateral voranzutreiben.Das Fazit, das ich mir daher aus der Ferne zum VI. EU-Afrika Gipfelgeschehen erlaube, lautet: die EU ist zu spät und mit den falschen Themen am Horizont aufgetaucht. Viele afrikanische Gesellschaften haben den Sprung in die Liga der Start-ups ohne EU-Hilfen geschafft. Ihre Geschäftspartner suchen sich diese jungen afrikanischen Unternehmer und Regierungspolitiker selbst aus, man ist höflich genug, die EU-Gastgeber aufzusuchen. Letztere versetzen dann aber ihre Gäste und unterhalten sich nach den Eröffnungsreden primär doch wieder über die Ukraine.Anmerkung:* Unter Süd-Süd-Kooperation wird die Zusammenarbeit zwischen sogenannten Entwicklungsländern verstanden.
https://snanews.de/20220218/bundeskanzler-scholz-afrika-5411691.html
https://snanews.de/20210522/afrika-europa-china-2174381.html
https://snanews.de/20220218/roth-gegen-abzug-der-bundeswehr-aus-mali-5410810.html
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Dr. Karin Kneissl
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Die EU sucht weiter ihren Platz in Afrika
Dr. Karin Kneissl
Gastautorin
Das gerade zu Ende gegangene Gipfeltreffen zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union ist Teil eines alten Wettlaufs um Einfluss auf dem reichen Kontinent. Es geht um Rohstoffe, Migration und Energiepolitik.
Was die EU nun in Brüssel in einem Format von 71 (sic) Delegationen zum sechsten Mal veranstaltete, nämlich eine Partnerschaft mit Afrika zu beschwören, das macht die Volksrepublik China seit dem Jahr 2000 regelmäßig. Die afrikanisch-chinesische Kooperation ist seit 22 Jahren auf vielen Ebenen institutionalisiert; von der politischen Ebene abwärts besteht ein dichtes Geflecht an intensiver wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Zusammenarbeit. Die Auslandsstudenten, die ich im Jahre 2008 an zwei Universitäten in Peking unterrichtete, kamen in großer Zahl aus afrikanischen Staaten. Das Leitmotiv der chinesischen Afrikapolitik war und bleibt die sogenannte Süd-Süd-Kooperation*, mit dem Hinweis, dass gemeinsame historische Erfahrungen mit dem Kolonialismus bestehen.
Die vielen Themenverfehlungen
Dies sei zur Einleitung angemerkt, denn die zögerlichen Bemühungen der EU bzw. vor allem der einstigen Kolonialmächte, zu denen auch Deutschland gehörte, mit Afrika ins Geschäft zu kommen, fallen eher in die Rubrik Konferenzereignis als Kooperation. Senegal führt derzeit den Vorsitz in der Afrikanischen Union (AU).
Präsident Macky Sall machte in seinen Erklärungen auch klar, wo die vielen Bruchlinien bestehen. Denn während die EU und ihre Mitglieder nicht müde werden, auf dem Kontinent eine Energiewende möglichst nach deutschem Vorbild einzuleiten, verweist Sall zu Recht darauf, dass erstens die AU-Mitglieder nicht den Klimawandel mit seinen aktuellen Folgen verursachen und zweitens fossile Energieträger für die Stromversorgung erforderlich sind. Zugang zu leistbarer und zuverlässiger Elektrizität ermöglicht erst eine Entwicklung. Die Realitätsverweigerung Brüssels in Sachen Energiepolitik schwappt immer wieder auch auf den afrikanischen Kontinent über.
Es ist herrschende Praxis, dass viele EU-Staaten, ebenso Großbritannien, Afrika nicht auf der oft zitierten Augenhöhe begegnen. Vielmehr geht es um Sicherheitsfragen - Stichwort islamistischer Terrorismus - Fluchtrouten, Wirtschaftsmigration und das allgegenwärtige „mercy-business“, also Entwicklungszusammenarbeit. Letztere ist bedauerlicherweise oft eine Art verdeckte Exporthilfe für die jeweiligen heimischen Unternehmen. In den letzten Jahrzehnten dominierte hierbei oft das Thema „erneuerbare Energien“, auch wenn die Bedürfnisse der betroffenen Staaten im Sinne wirtschaftlicher Entwicklung ganz wo anders liegen. Der Verweis des AU-Vorsitzes auf die energiepolitischen Fakten wird aber in den europäischen Hauptstädten kaum zum Umdenken führen. Und dass die Mobiltelefonie wie auch die Photovoltaik und Elektromobilität Rohstoffe benötigen, die auch ihre physischen Grenzen haben oder auch unter dubiosen Arbeitsbedingungen gefördert werden, fällt bei der steten Suada gegen Erdöl kaum ins Gewicht.
Auch in Sachen Pandemie und Gesundheitspolitik zieht sich die EU eher auf ein Moralisieren zurück als pragmatisch zu handeln. Die Freigabe von Impfpatenten wusste Deutschland zu verhindern, während die US-Regierung für kostenlose Lizenzen warb. Wenn nun Impfstoffe in Lizenz in sechs afrikanischen Staaten produziert werden sollen, stellt sich auch die Frage: Was passiert mit all den anderen Krankheiten, für die sich Pharmafirmen bislang nicht interessierten? Gesundheitspolitik, Familienplanung und Urbanismus sind Themen, bei denen europäische Regierungen auch untereinander selten auf einen grünen Zweig kommen.
Truppenabzug aus Mali
Seit 2002 wurden einige EU-Staaten, oft unter französischer Ägide, militärisch zunehmend aktiv. Infolge der Präsenz von Ablegern der aus Saudi Arabien stammenden Al-Qa’ida kanalisierten Paris, Berlin und vor allem Washington Milliarden in die Terrorismusbekämpfung in die Sahel-Staaten. Dort waren nach der europäischen Intervention in Libyen im März 2011 staatliche Strukturen implodiert. Es folgte die großangelegte französische Militäroperation in Mali, an der sich auch deutsche Truppen beteiligten. Das Resultat ist verheerend. Weder gelang es, eine zentrale Armee zu stützen noch mit den Regierungen an einem Strang zu ziehen. Just in diesen Tagen erfolgt daher der Abzug der europäischen Verbände aus Mali. In der französischen Berichterstattung wird täglich dazu kommentiert, oft genug mit dem Verweis, dass die „1000 russischen Söldner der Wagner-Gruppe“ daran schuld wären. Die Tatsache, dass viele Staaten in dieser Region wie auch im Nahen Osten schon zu Zeiten der Entkolonialisierung, also seit den 1950er Jahren den Blick nach Moskau richteten, erwähnt zwar mancher Pariser Afrika Experte. Dennoch kommt die eigene Manöverkritik zum Scheitern dieser teuren Einsätze, in denen auch Dutzende Soldaten ihr Leben verloren, viel zu kurz.
Migration über das Mittelmeer
Die vielen Fluchtrouten vom afrikanischen Kontinent über das Mittelmeer beherrschen die Innenpolitik von Frankreich über Spanien bis nach Deutschland und immer wieder in Österreich. Die Fluchtgründe sind zahlreiche. Die demographischen Entwicklungen sprechen dafür, dass der Bevölkerungsdruck anhält.
Was in Barcelona 1995 bereits beschlossen wurde, nämlich im Namen der Migration mit den Staaten im südlichen und östlichen Mittelmeer Raum zu kooperieren, endete mit dem Fiasko der arabischen Revolten 2011. Der aktuelle französische Präsidentschaftswahlkampf findet auch im Namen der irregulären Migration statt. Die Mitte hat schon lange Positionen der Rechten übernommen. Afrika spielt dabei immer wieder seine Rolle.
Die bilaterale Politik dominiert
Letztlich bevorzugen viele der einstigen Kolonialmächte – und nicht nur diese – ihren eigenen bilateralen Zugang zu den afrikanischen Staaten, um ihre jeweiligen Exportinteressen zu bedienen, die nicht selten im Rüstungssektor liegen, und auch um Abschiebeabkommen bilateral voranzutreiben.
Das Fazit, das ich mir daher aus der Ferne zum VI. EU-Afrika Gipfelgeschehen erlaube, lautet: die EU ist zu spät und mit den falschen Themen am Horizont aufgetaucht. Viele afrikanische Gesellschaften haben den Sprung in die Liga der Start-ups ohne EU-Hilfen geschafft. Ihre Geschäftspartner suchen sich diese jungen afrikanischen Unternehmer und Regierungspolitiker selbst aus, man ist höflich genug, die EU-Gastgeber aufzusuchen. Letztere versetzen dann aber ihre Gäste und unterhalten sich nach den Eröffnungsreden primär doch wieder über die Ukraine.
* Unter Süd-Süd-Kooperation wird die Zusammenarbeit zwischen sogenannten Entwicklungsländern verstanden.